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Weihnachten mal weit weg und doch so nah

„Eins sag ich dir, nächstes Jahr verschwinden wir auf irgendeine tropische Insel“.
Mein Mann Bruno und ich spazierten in der stillen Winternacht durch unser Dorf nach Hause. Wir hatten gerade den zweiten Weihnachtsfeiertag hinter uns gebracht mit der ganzen Großfamilie. Heiliger Abend mit meiner und Brunos Familie, die Feiertage mit allen zusammen und der Verwandtschaft. Da geht es laut, hektisch und manchmal auch stimmungsgeladen zu.
So wie Weihnachten oft ist, immer anders als man es gerne hätte.
Wenn man ländlich wohnt und alle fußläufig in der Nähe leben sind große Familienfeste obligatorisch. Alles schön und praktisch und manchmal eben auch sehr anstrengend.
„Genau“, sagte ich und drückte seine Hand. „Wir fliegen in die Karibik, mit Sonne, Strand und Meer.“
„Ich meine das ernst“, Bruno verzog das Gesicht, „die überstehen das alle auch mal ohne uns und wir fliehen vor dem ganzen Stress.“
In stiller Abmachung feierten wir Sylvester mit Freunden und der Frühling zog ins Land.
Nach einem turbulenten Osterfest und Pfingstfeier mit dem ganzen Clan und viel Geschreie mit dem kleinen Nachwuchs von meiner Schwester und Brunos Bruder, setzten wir uns entschlossen an den Rechner und buchten zwei Wochen Karibik, all inclusive, Abreise 18.12.-27.12., spontan, teuer und völlig egoistisch. Als Bruno auf Buchen drückte, hatten wir den gleichen Gedanken.
Wie und wann bringen wir es der Familie bei?
Beim Geburtstag im August meines Schwiegervaters im kleineren Kreis ohne Tanten, Onkel, Cousinen usw., brachten wir das Thema auf den gedeckten Kaffeetisch.
Meine Mutter traurig: Ach, ja natürlich, das verstehen wir schon, ihr wollt mal weg.
Mein Vater streng: Wenn ihr meint. So ein Aufwand.
Mein Schwiegervater skeptisch: Ist das nicht sehr teuer? Fliegen ist doch unmoralisch, dachte ich.
Meine Schwiegermutter ängstlich: Da ist es sicher sehr heiß, oder? Feiern die dort Weihnachten?
Unsere Geschwister: keine Kommentare, aber allein diese Blicke.
Im Klartext hieß das: wie könnt ihr es wagen Weihnachten nicht da zu sein??
Meine Schwester zischte mir bei Abräumen in der Küche ins Ohr.  „Du machst es dir einfach und lässt mich in dem Wahnsinn allein?“
„Dann fliegt doch mit?“ konterte ich. Sie schüttelte den Kopf und umarmte mich und ich wusste, dass sie mich verstand.

Trotzdem lösten wir mit unserem Urlaub unterschiedliche Stimmungen im Familienclan aus. Alle waren seitdem etwas distanziert und als es Richtung Herbst ging und langsam diverse Geschenkideen in die Runde flossen, mussten wir allen liebevoll erklären, dass wir uns natürlich bei allen Geschenken beteiligen und sie auch besorgen würden falls gewünscht und nein, wir wollen keine Geschenke vorher, am besten nichts schenken, wenn wir schon so treulos sind und alle alleine lassen.
„Am besten wäre es, wenn wir die ganze Schenkerei komplett einstellen“, grummelte Bruno, aber da mussten wir durch. Im Advent trafen wir unsere Freunde auf den Christkindlmärkten und auch dort überall erhielten wir unterschiedliche Meinungen.
„Da habt ihr recht, wenn ich könnte, wäre ich auch weg“.
„Dort werdet ihr einen Plastikchristbaum im Hotel haben und überall verkappte Weihnachtsmuffel, die sich sinnlos besaufen. Ihr hättet in den Orient fliegen sollen, da wird nicht gefeiert“
„Oh Gott, meine Familie wäre mir für immer und ewig sauer“.
Dann kam der Tag der Abreise und wir fuhren nach den ganzen Verabschiedungen mit Tränen, Kopfschütteln, guten Ratschlägen zum Flughafen und mit viel schlechten Gewissen im Gepäck. Als der Flieger abhob war uns nicht nach Urlaub zumute und mein kleines Weihnachtsgefühl, was ich in mir hatte, war enttäuscht verschwunden.
Das änderte sich schlagartig als wir im Paradies landeten und nach dem Transfer und Einchecken in unserem Hotelzimmer mit Meerblick alle Sorgen und Schuldgefühle abwarfen. Es war herrlich.
Zumindest bis zum 24.12.
Bereits einen Tag vorher am quirligen Strand bekam ich Heimweh. Ich erfuhr, dass es zu Hause schneite. Wie war das möglich? Normalerweise war Weihnachten bei uns windig und Regen von der Seite. Jetzt stellen sie den Christbaum auf, dachte ich wehmütig. In der Küche meiner Mutter roch es schon nach Plätzchen, Entenbraten vorbereiten und Glühwein und die heimelige Vorfreude, die sich bei allen einschlich, ging mir hier am türkisenen Meer bei 30 Grad völlig verloren.
Ich blickte auf die tropische Wunderlandschaft und wünschte mich in dem Moment einfach nur ins Wohnzimmer meiner Eltern. Als Bruno mit unseren Cocktails kam, brach ich in Tränen aus und er musste mich trösten.
Später im Hotelzimmer benahm ich mich wie ein kleines Kind.
„Ich vermisse plötzlich den ganzen Weihnachtswahnsinn“, jammerte ich, „wenn alle zusammen essen und der Christbaum leuchtet und die Geschenkübergabe und die Christmesse. Alles, was mich genervt hat, fehlt mir jetzt. Es tut mir leid, aber ich bin gerade im Weihnachtsblues.“
„Schatz, geht mir doch auch so. Mir fehlt die ganze Sippe auch. Es ist eben Tradition und tief in unserem Herzen wollen wir vielleicht Weihnachten genauso feiern, wie wir es eben kennen. Es hat uns geprägt. Da hilft auch keine Flucht oder Verleugnen. Ist doch aber auch eine schöne Erkenntnis, dass wir unsere Familien vermissen und wissen, dass wir gerne mit ihnen zusammen sind.“
Ich liebte meinen Mann noch mehr als vorher und als wir ins Strandrestaurant gingen und bei leisen Meeresrauschen unser Essen genossen, schlich sich trotz der Ferne mein Weihnachtsgefühl wieder ein und ich bewahrte es fest im Herzen.

Am Heiligen Abend in der Karibik hatte ich den Eindruck, dass der eine oder andere europäische Hotelgast etwas verloren aussah und viele telefonierten wohl mit ihren Lieben genau zur Bescherungszeit daheim. Riefen die alle ihre Familien zu Hause an, um virtuell mitzufeiern? Wir hatten vereinbart, dass wir das nicht machen. Wir schickten liebe Grüße und viele Bilder in die WhatsApp Gruppen, mehr nicht.
Das Abendessen war karibisch weihnachtlich angehaucht und überall wurden Lichterketten aufgehängt und ein Plastikchristbaum stand tatsächlich in der Rezeption. Warum auch nicht, Weihnachten wird in allen christlichen Ländern gefeiert. Nach dem Essen wurde getanzt und alle Animateure mit Weihnachtsmannmützen auf dem Kopf, feuerten uns an fröhlich zu sein und das Leben zu genießen. Wir machten mit. Weihnachten heiß und exotisch.
Die letzten Ferientage verbachten wir gemütlich mit langen Strandspaziergängen und wunderbaren Sonnenuntergängen und am Tag der Abreise war uns tatsächlich etwas wehmütig, dieses Paradies zu verlassen.
Tante Hilde holte uns wieder vom Flughafen ab. Sie war die Pragmatische von allen und machte kein großes Getue. Sie stand schon winkend da, als wir mit unseren Koffern daherkamen.
„Wie waren denn die Feiertage bei euch?“ fragte ich im Auto. „Wie immer“, sagte sie trocken und dann wollte sie alles wissen von unserer Reise, denn sie war früher auch eine Globetrotterin.
„Kommt noch schnell mit ins Haus, ich muss euch was zeigen.“ Hilde wohnte direkt neben uns und eigentlich wollten wir gleich heim, aber da sie schon so nett war und uns chauffierte gingen wir artig mit. Sie sperrte auf und als wir in ihren Flur traten ging die Türe zum Wohnzimmer auf und Überraschung. Der ganze Clan stand vor einem herrlich gedeckten Tisch, der Christbaum strahlte und es roch nach Ente, Plätzchen und Glühwein wie in meiner wehmütigen Erinnerung.
„Habt ihr ernsthaft gedacht, ihr kommt davon? Schöne Weihnachten“ schrie meine Schwester boshaft und dann lachten wir alle und es war wunderbar. Ich fiel meinen Lieben um den Hals und Bruno wurde gleich von seiner Familie beschlagnahmt.
Weihnachten ist überall da, wo man es im Herzen spürt und wenn man Menschen um sich hat, die man liebt und die das schönste Fest der Welt mit einem feiern wollen, egal wann und wo, dann bekommt man das größte Geschenk auf der der ganzen Welt.

 

Weihnachtssegen in der Heiligen Nacht

Das Christkind saß mit seinen vielen kleinen Engeln im Himmel auf einer großen Wolke zusammen.
Es war Weihnachten, der Heilige Abend stand bevor. Überall auf Erden wurde heute das schönste Fest gefeiert. Ob still, rauschend, einsam, in Familien und unter Freunden, umgeben mit Lichterglanz oder in der Dunkelheit.
Die Menschen auf Erden lebten in Krieg, Frieden, Freude und Leid. Schon immer.
Das Christkind blickte über seine goldene Engelsschar und ein tiefer Seufzer entfuhr ihm.
„Meine Kinder, wieder ist ein Jahr vergangen auf Erden und viele Menschen feiern heute mit uns die Heilige Nacht und Weihnachten. Ihr wisst, dass wir Hoffnung bringen, damit niemand verzweifeln muss und Liebe, damit nichts sinnlos erscheint und den Glauben, den jeder Mensch für sich finden soll, damit er weiterleben kann in diesen Zeiten und immerdar.

Die Engelein nickten ehrfürchtig und erhoben sich von ihren Plätzen. Ihre Flügelchen zittern aufgeregt.
„Jeder von euch hat eine Aufgabe bekommen und nun fliegt los durch die Dunkelheit und bringt das ewige Licht der Liebe über die Menschheit.

Sie flogen zu den Gesegneten, Armen, Kranken, Einsamen und Verzweifelten, flogen über Kriegsgebiete, zerstörte Natur und zu geschundenen Tieren. Sie verteilten Hoffnung und Mut an alle die nicht mehr konnten oder wollten.

Das Christkind stand mit erhobenen Händen im Himmel und betete, dass der gebrachte Segen in die Herzen der Menschen gelangte. Bleibt tapfer und voller Zuversicht. Gebt nicht auf, seht das Licht im Dunkeln, dass wir euch bringen in dieser heiligen Nacht.

Als die keinen Engelchen zurück geflogen kamen und alle wieder auf ihren Plätzen saßen, leuchteten die kleinen Gesichter der himmlischen Schar. Alle waren aufgeregt und voller Freude die Frohe Botschaft verkündet zu haben. Alles ging gut und jeder hatte seine Aufgabe erfüllt. Das Christkind war zufrieden.
„Legt euch jetzt schlafen, ihr seid müde und ich bin voller Stolz und danke euch allen.“
Ein kleiner Engel war besonders aufgeregt und das Christkind flog zu ihm und streichelte ihm die kleine Wange. „Gut, dass du deinen Heiligenschein* wieder gefunden hast“ und lächelte.
Das Engelchen wurde rot, nickte dankbar und legte sich zu seinen Freunden in die weiche Wolke und schlief selig ein.  

*Eine kleine Anspielung auf meine Geschichte „Der verlorene Heiligenschein“