Eine wichtige Botschaft | Eitelkeit und Festlichkeit | Der Weihnachtsteller | Das kleine Kätzchen und der Nikolaus | Das Weihnachtsglühwürmchen | Fröhliche „Geweihnachten“ | Paula überlebt Weihnachten | Mein Weihnachtsgefühl | Weihnachten auf der Biberburg | Bens Weihnachtswunsch | Der verschnupfte Christbaum | Weihnachtsbesuch eines Engels | Kinder, was wollt ihr Weihnachten essen? | Der Weihnachtsgewinn | Kling Glöckchen Tschilp Tschilp Tschilp | Familienweihnachtswünsche | Weihnachtsglück für sechzehn Pfoten | Lux und der Weihnachtswolf | Schneeflöckchen kommt geschneit | Stern der Hoffnung | Eine besinnliche Yogastunde | Ein besonderes Geschenk von Fritzi | Ein kleines Weihnachten | Ein Geschenk des Himmels | Seelsorge zur Weihnachtszeit | Adventsbesuch aus dem vierten Stock | Ein Eichhörnchen schenkt Weihnachtsfreude | „Haarmonische“ Weihnachtsbegegnung | Mein Kind, glaube, liebe und hoffe | Eine Schatzkiste voller Erinnerungen | Der verlorene Heiligenschein | Weihnachten mal weit weg und doch so nah | Weihnachtssegen in der Heiligen Nacht
Eine wichtige Botschaft
Der heilige Nikolaus verstaute die letzten Päckchen auf seinen Schlitten, zurrte das Seil fest und stieg auf seinen Kutschbock. Seine Rentiere waren gefüttert, gestriegelt und schnaubten mit freudiger Erwartung Dampfwolken in die eisige Nacht.
„Seid ihr bereit meine Freunde?“ rief er laut und die braven Tiere nickten. Sie kannten ihre Bestimmung und ihr Herr war ein guter Mann der eine wunderbare Aufgabe hatte. Er machte die Menschen, besonders die Kinder glücklich.
Mit großem Gebimmel sausten die Tiere über das blanke Eis und nahmen immer mehr Fahrt auf. Der Nikolaus blinzelte und plötzlich hoben sich die Tiere in den Himmel,gewannen immer mehr an Höhe und flogen im Galopp durch die Nacht. Die Sterne funkelten am Himmelszelt und als das Schlittengespann ihre Flughöhe erreicht hatte, schwebte sie lautlos und leicht wie Schneeflocken dahin.
Der Nikolaus war nach einiger Zeit etwas eingenickt. Er konnte seinen Tieren vertrauen, sie kannten den Weg. Plötzlich wurde das Gespann unruhig und der Nikolaus war sofort hellwach.
Er sah gleich warum seine treuen Gesellen Alarm schlugen. Weit unten im Eismeer trieb eine lose Eisplatte mit zwei kleinen Eisbären. Die Eisbärenmutter schwamm aufgeregt daneben her, sie wollte die Kleinen wieder Richtung Ufer treiben, war aber bereits zu erschöpft. Schnell zog der heilige Mann an den Zügeln und die Rentiere schwebten in einer schrägen Linkskurve hinunter zu der Familie im Wasser.
Mit viel Gefühl dirigierte der Nikolaus sein Gespann und bald berührten die Hufen der Rentiere sanft die Wasseroberfläche und sie galoppierten vorsichtig los. Das Wasser bewegte sich in sachten Wellen und die Eisplatte mit den kleinen Eisbären trieb zum Ufer zurück.
Die Kleinen sprangen sofort auf sicheren Boden und warteten dort mit großem Geschrei auf die Mama. Als diese sich müde aus dem Wasser zog, sprangen sie auf sie zu und erdrückten sie fast vor Freude.
Der Nikolaus und seine Rentiere waren sehr froh, dass sie der kleinen Familie helfen konnten.
„Ich danke dir von Herzen, du guter Gesell“ sagte die Eisbärenmama ehrfürchtig. „Meine Kinder spielten und plötzlich brach das Eis und sie trieben fort. Es ging alles so schnell. Das Eis wird immer gefährlicher. Irgendetwas stimmt nicht. Es ist, als löse sich unser Lebensraum auf. Seid die Menschen uns jagen, beobachten und stören, passieren diese Dinge“.
Der Nikolaus nickte traurig. „Ich weiß, es wird sich vieles für euch ändern. Ihr müsst vorsichtig sein und euch bereithalten. Wenn die Menschen ihr Verhalten nicht ändern, seid ihr in Gefahr. Ich bringe jedes Jahr eine Botschaft der Besinnung und bete für euch alle. Die Kinder der Menschen sind meine größte Hoffnung und wenn diese erkennen um was es im Leben wirklich geht, dann habt auch ihr eine Chance.“
„Dann wünsche ich dir, dass deine Eingebung in die Köpfe der Menschen dringt und wir alle wieder auf eine gute und sichere Zukunft hoffen dürfen. Leb wohl“ sagte die Eisbärin mit traurigen Augen. Der Nikolaus winkte zum Abschied und schnell wie der Wind trieb er seine Tiere zurück in die dunkle Nacht. Jetzt war die Zeit gekommen und er musste sich beeilen. Er hoffte so sehr die Kinder nicht nur mit Süßigkeiten zu erfreuen, sondern ihnen seine wichtigste Botschaft zu überbringen. Ihre Zukunft.
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Eitelkeit und Festlichkeit
Auf einem Gutshof lebten Menschen und Tiere friedlich zusammen. Es gab dort einen Hund und Katzen, Pferde und einen Pfau mit seinem Harem.
Der Pfauenmann war herrlich anzusehen. Seine Schleppe schillerte in der Sonne und wenn er ein Rad schlug blieben alle staunend stehen und bewunderten ihn. Er war eitel, stolz und duldete keine Konkurrenz. Nebenbuhler waren unerwünscht.
Zur Adventszeit stellten die Gutshofbesitzer einen Tannenbaum in den Hof. Der Baum war groß, dunkelgrün und ebenmäßig gewachsen. Der Pfau beobachtete das Schauspiel ohne großes Interesse, er stellte lieber einer seiner Damen nach.
Eines Nachts hatte es geschneit und früh morgens war alles weiß, wie mit Puderzucker bestäubt. Der Gutsherr und seine Kinder kamen mit einer großen Kiste in den Hof und begannen die Tanne zu schmücken. Nach einiger Zeit wurde aus dem schlichten Baum ein wunderschön geschmückter Christbaum, mit goldenen Kugeln, Strohsternen und einer Lichterkette. Spätestens jetzt hatte auch der Pfau Interesse gezeigt. Als die Menschen wieder im Haus verschwunden waren, stolzierte er auf die prächtige Tanne zu.
Wie war das möglich? Wo kam plötzlich dieser Angeber her? Stand hier mitten im Hof und glitzerte und funkelte das einem fast schwindelig wurde. Der Pfau blies sich empört auf und stellte seine Federkrone auf. Los du Wichtigtuer, zeig mal was du kannst. Er pickte auf eine der Kugeln und als er darin sein Spiegelbild sah, bekam er einen riesen Schreck. Sofort ging er auf Angriff und stellte sein Rad auf. Wie ein riesiger Fächer wedelte er auf und ab und versuchte dem vermeintlichen Gegner damit Angst einzujagen.
Die Tanne rührte sich nicht vom Fleck. Milde Sonnenstrahlen ließen ihre Kugeln schimmern und die Strohsterne bewegten sich leicht im Wind. Der Pfau spürte dass sich sein Gegner nicht provozieren ließ und nach einiger Zeit beruhigte er sich und schritt hochmütig von dannen.
Als die Dämmerung einsetzte und die Kerzen auf unserem Christbaum zu leuchten begann, bekam unser Pfauenmann erneut einen Stich in sein stolzes Herz. Der Baum strahlte und glänzte in der Winternacht wie in einem Märchen.
So nicht Kamerad, du willst Ärger, den kannst du haben. Erneut attackierte er den vermeidlichen Nebenbuhler mit Kampfgebärden, Radschlagen und als Zugabe ließ er einen schrillen Schrei los. Aber wieder bekam er keine Beachtung oder einen Gegenangriff. Die Tanne stand still in ihrem Festkleid und ihr sanftes Licht umhüllte sie wie mit einem Heiligenschein.
Unser eitler Protz verlor nach einigen Minuten seine Energie und er gab auf. Die bescheidene Schlichtheit ließ ihn verstummen. Er drehte sich pikiert um und stolzierte zurück in seinen Bau.
Der Christbaum wartete auf seinen großen Tag mit bescheidener Festlichkeit und seine Ausstrahlung brachte Besinnung und Freude zur Heiligen Nacht.
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Der Weihnachtsteller
Als ich zusammen mit meinen gleich aussehenden Kollegen in den bunten Weihnachtstellergelegt wurde, war mir schnell klar, jetzt heißt es warten und reifen bis zum Fest. Ich roch herrlich nach Butter und Rum und meine Zuckerglasur stand mir besonders gut.
„He“ rief ein dicker Marzipankartoffel neben mir „mach dich nicht so breit.“
„Du musst reden“, beschwerte sich eine herrlich aussehende Kokosmakrone rechts von mir, „du machst dich doch breit wie ein fetter Christstollen“. Sie lächelte mir freundlich zu und ich strahlte zurück. Was wäre wohl, träumte ich, wenn wir unsere Zutaten zusammenmischten?
Es käme bestimmt etwas besonders süßes heraus.
Ich sah mich um. Ein bisschen eng war’s schon auf diesem bunten Teller, aber die Farbenpracht und der Geruch waren einmalig. Ich freute mich schon auf den großen Tag. Wenn eine kleine Kinderhand nach mir greift und mich genussvoll verschlang.
Das war eben für uns Plätzchen die Krönung. Meine nette Kokosmakrone neben mir war eingeschlafen. Ihr zarter Duft machte mich ganz schwindelig.
„Bist du neu hier“? Ich äugte nach links oben von wo diese tiefe Stimme kam und schaute auf den wohl best gelungensten Gewürzlebkuchen aller Zeiten.
Er trotze nur so vor Korinthen, Rosinen und Schokostückchen.
„Ja, ich bin noch ganz warm“ sagte ich.
„Du siehst sehr appetitlich aus, so rund und saftig“ lobte er mich.
„Danke, aber nichts gegen dich. Du bist fantastisch.“ Der Lebkuchen räkelte
sich richtig unter meinem Kompliment. „Stimmt ich bin wirklich gut gelungen.
Die Hausherrin probierte ein neues Rezept. Sie hat sich sehr viel Mühe gegeben“.
„Ach Papperlapapp“ schimpfte der dicke Marzipankartoffel auf ein Neues, „Ihr mit eurem Geschwätz. Spätestens bis zum 2. Weihnachtsfeiertag werdet ihr einfach in volle Bäuche gestopft und keiner wird sich mehr an eure Aussehen erinnern, oder an eurem Geruch. Ihr seid eingebildete Narren.“
„Vielleicht hast Du recht“, pflichtete ich ihm bei, „aber unsere Aufgabe ist es nun mal gut auszusehen und zu schmecken.“
„Wenn du so weiter meckerst“, lachte ein Butterplätzchen schräg oben von uns, „wird dich keiner mehr vernaschen, weil du nämlich bis dahin sauer geworden bist.“
Wir lachten alle schallend und der Marzipankartoffel wurde ganz dunkelbraun vor Wut. Meine süße Kokosmakrone war aufgewacht und hatte uns eine Weile wortlos zugehört.
„Versteht Ihr denn den Sinn dieses Festes überhaupt nicht? Es geht doch nicht darum, wer am besten gelungen ist , die schönste Farbe hat und am leckersten schmeckt. Oder wer den besten Platz im runden Teller hat. Wichtig ist nur, dass wir alle wie wir hier liegen, Freude bereiten und dazu beitragen, dass es ein gelungenes und frohes Fest wird.
Und wenn wir uns bis dahin alle vertragen werden sich unsere Aromen vermischen und wir alle werden unvergesslich schmecken. “ Es wurde sehr still im buntgemischten Weihnachtsteller. Der Marzipankartoffel rutschte noch ein bisschen weiter nachunten, aber er sagte nichts mehr. Die anderen nickten zustimmend.
Ich schaute stolz auf meine kleine Kokosmakrone, denn was sie gerade sagte ist das beste Rezept was je geschrieben wurde.
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Wunderbar vorgelesen von Angelika Högn, vielen lieben Dank.
https://www.youtube.com/watch?v=TOStrLUbrm4
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Das kleine Kätzchen und der Nikolaus
Ein kleines Kätzchen lag eingerollt auf einer Stufe eines alten Hauses. Sein kleiner Bauch hob sich langsam auf und ab.
Die vielen Füße mit den dicken Winterschuhen die an dem Kätzchen vorbeilaufen bemerkte es nicht.
Es hatte leicht angefangen zu schneien und ein kalter Wind pfiff um die Häuserecken.
Das grauweiße Kätzchen schlug die Augen auf und steckte die Nase in die feuchte Luft. Kalt ist es geworden und es gab heute noch nichts zu fressen. Es streckte sich und beobachtete die vielen Menschen die hektisch und schnell durch die Straßen liefen.
So eine Kälte kannte es nicht, denn es war erst im März geboren worden und bei der Mutter mit all den vielen Geschwistern war es herrlich warm gewesen. Der Geruch der Milch die es regelmäßig zu trinken gab stieg ihm in die Nase und es leckte sich das kleine Maul.
Schön war es da gewesen, aber plötzlich waren die Geschwister weg und die Mutter hatte sich nicht mehr um es gekümmert. Das war eine schlimme Zeit gewesen, auf einmal mußte sich das Kätzchen selbst Nahrung suchen und die Geborgenheit der Familie fehlte ihm sehr.
Immer weiter lief es von dem Ort der zerronnenen Behaglichkeit fort und landete an einem Platz wo es viele Häuser und Menschen gab. Dort war es laut und gefährlich, große brausende Gegenstände wechselten schnell und das Kätzchen mußte oft einen riesigen Satz machen um einem rollendem Ungeheuer auszuweichen.
Es gab zwar viele Mäuse und Reste von Fressen in großen Behältern, aber gemütlich war das nicht.
Auch die Revierprobleme der bereits einheimischen Katzen war immer wieder ein großes Problem. Ständig gab es Auseinandersetzungen und Raufereien bei dem auch mal Blut floß.
Das Leben war schwierig und gefährlich geworden und nur in ihren Träumen konnte das kleine Kätzchen noch Freude empfinden.
Und jetzt war es auch noch kalt geworden. Die Nässe kroch sich unters Fell und einen warmen Schlafplatz zu finden wurde immer schwieriger.
Traurig und mit knurrendem Magen schlich das Kätzchen die graue Hausmauer entlang. Die weißen Flocken die jetzt wild umher tanzten legten sich auf sein Fell und färbten es weiß.
Ein großer weißer nasser Ball flog ihm entgegen und zerplatze auf seinem Kopf. Das Kätzchen duckte sich ängstlich und hörte lachende Kinderstimmen an sich vorbeilaufen.
Es schüttelte sich und die kalte Masse fiel zu Boden. Überall brannten schon Lichter und die Dunkelheit breitete sich langsam über die Stadt. Jetzt mußte ein halbwegs warmer Schlafplatz gefunden werden und vielleicht lief ihm eine unvorsichtige Maus über dem Weg. Das wäre mal ein Glück. Aber die gewieften Stadtmäuse hatten längst die Taktik der Katzen erkannt und versteckten sich wohlweislich in ihren tiefen Löchern.
Die vielen dunklen und unheimlichen Gänge der nassen Straßen machten ihm immer wieder Angst.
Mutlos setzte es sich kurz auf den Randstein und schnaufte tief durch.
Still war es geworden und kein Licht brannte mehr. Es schien, als würden alle Häuser verschwunden und kein Geräusch war zu hören.
Plötzlich sah es in einer nahen Querstraße ein helles Licht leuchten.
Das war so hell, daß das Kätzchen die Augen zuzwinkern mußte. Vorsichtig setzte es eine Pfote vor die andere und schlich in die Nähe der ungewohnten Helligkeit. Sein Herz klopfte wild doch eine angeborene Neugier ließ sich nicht verleugnen.
Als es um die Ecke lugte woher das merkwürdige Licht kam glaubte es seinen Augen nicht zu trauen.
Das Licht schien wie ein Kreis und in dem Kreis saß ein dicker Mann mit einem langen, weißem Bart und einem rotem Mantel und neben ihm stand eine Kutsche und daran waren große Tiere eingespannt. Er hatte die Hand an der Stirn und schüttelte ständig den Kopf und murmelte:
„Ohje, ohje, ohje, ohje“.
Um ihm herum lagen lauter Spielsachen kunterbunt durcheinander. Da gab es Puppen, Stofftiere –auch eine rote Stoffkatze war darunter -, Naschwerk und vieles mehr. So viele herrliche Sachen hatte das Kätzchen noch nie gesehen.
Der dicke Mann hielt eine alten Leinensack in die Höhe und sagte zu den komischen Tieren vor seiner Kutsche.
„Ihr wart eindeutig zu schnell. Ihr seid ja in die Kurve gegangen als wäre heute schon Silvester. Jetzt haben wir den Salat. Bis ich den Sack wieder gefüllt habe ist es ja bereits hell und dann können wir sehen wie wir das schaffen.“
Die braunen Tiere mit den großen Hörnern standen betreten da und steckten die Köpfe zusammen.
Es war ihnen anscheinend sehr peinlich.
Das Kätzchen konnte sich gar nicht satt sehen an diesen vielen Herrlichkeiten. Wie schön mußte das sein, mal wieder so richtig ungezwungen zu spielen und etwas so richtig zu zerfetzen, sowie es immer mit den Geschwistern gewesen war. Das Licht strahlte eine wohlige Wärme aus und das Kätzchen hätte sich gerne in mitten der Spielsachen gesetzt und nur geschaut.
Aber der fremde Mann war sehr ungehalten und schüttelte weiter pausenlos den Kopf.
Vielleicht schleiche ich mich einfach mal heran und verstecke mich unter dem großen Teddybären, dachte es mutig. Der Mann dreht ihm sein dickes Hinterteil zu und war ganz vertieft darin, einer Puppe das lange blonde Haar zu entwirren.
Kätzchen machte einen kleinen Sprung und kroch ganz leise unter den großen braunen Bären. Er hatte ein dickes, weiches Fell und er erzeugte eine wunderbare Wärme. Mit weit geöffneten Augen beobachtete es den großen Mann der –es traute kaum seinen Ohren- ein kleines Liedchen vor sich her sang.
„Morgen Kinder wird’s was geben, morgen werden wir uns freuen. Welch ein Trubel, welche ein Leben, wird in unserem Hause sein. Einmal werden wir noch wach, heißa dann ist Weihnacht“.
Die Ohren des kleinen Kätzchens standen ganz hoch. Das war sehr schön was der dicke Mann da sang. Aber was war denn bitte sehr Weihnacht? Was zum Fressen? Oder heißen die Tiere vor der Kutsche Weihnacht?
Es überlegte, ob es dieses Wort schon mal gehört hatte, aber meistens hörte es nur „geh weg“ oder bekam einen Tritt.
Durch die Wärme und den Gesang des alten Mannes begann sich unser Kätzchen sehr wohl zu fühlen. Es entspannte sich und legte die Ohren an. Die Pfoten steckte es unter den Körper.
War das gemütlich, dachte es. Ich bleibe noch ein bißchen und dann verschwinde ich wieder, nahm es sich vor.
Die Augen wurden ihm immer schwerer und eine bleierne Müdigkeit breitet sich in seinem Körper aus. Nein, nein ich döse nur ein wenig, ich habe alles im Griff.
Das dachte es sich zumindest denn plötzlich wurde es von einer riesengroßen Hand hochgehoben und in den Sack gesteckt. Voller Angst und zu Tode erschrocken durch den leichten Schlaf machte das kleine Kätzchen einen Purzelbaum und versank immer tiefer in den großen dunklen Käfig. Die Krallen tief in den Teddybären gebohrt verharrte es voller Entsetzen in der Dunkelheit. Immer mehr Gegenstände fielen auf seinem Kopf und wurden mit der großen Hand in den Sack gestopft.
Oh nein, was ist nur passiert. Ich bin doch ganz wach gewesen, jammerte das kleine Kätzchen.
Wie komme ich da bloß wieder raus?
Aber das war nicht so einfach, denn der große Sack wurde mit einer Kordel verschnürt und auf einmal flog der Sack samt Inhalt in die Luft und fiel auf einen harten Boden. Gott sein Dank war der Teddybär dick gepolstert, denn sonst hätte sich unser Kätzchen ganz schön weh getan.
Aber damit war noch lange nicht alles zu Ende. Plötzlich gab es einen Ruck und alles war in Bewegung. Immer schneller und schneller wurde es und das Kätzchen hörte die Stimme des Mannes laut rufen.
„Los auf geht’s, keine Müdigkeit vorschützen wir haben Zeit aufzuholen“.
Es gab ein zischendes Geräusch und irgendwie wurde es dem Kätzchen plötzlich ganz leicht als würde es schweben und durch die Luft fliegen. Aber das kann ja nicht sein, Katzen können nicht fliegen und Menschen doch eigentlich auch nicht. Zumindest hatte es so was noch nie erlebt.
Doch es war so.
Der große Sack ruckelte und wackelte und das erste Mal in seinem jungen Leben war unser Kätzchen froh, daß es noch nichts gefressen hatte, denn sonst würde ihm jetzt furchtbar schlecht werden.
Die Krallen fest in den Teddy verkeilt starrte es angstvoll in die Dunkelheit und sein kleines Katzenherz schlug ihm bis zum Halse.
Das war wirklich das sonderbarste, was es bis jetzt erlebt hatte. Nicht mal die Schlägerei mit dem schwarzen Tyrannen der in der Straße mit den vollsten Mülltonnen wohnte konnte es damit aufnehmen.
Immer höher und schneller ging es und das Kätzchen verlor bald jedes Zeitgefühl. Wahrscheinlich werde ich jetzt sterben? Schade, ich hatte doch noch so viel vor.
Traurig schloß es die Augen und krallte sich wieder fester in das weiche Fell des Teddybären.
Doch was war das? Plötzlich stand alles still. Es gab ein dumpfes Geräusch und der große Sack wurde hochgehoben. Wieder wurde unser Kätzchen ein wenig geschüttelt, aber nicht mehr so stark wie am Anfang. Es glaubt auch Stimmen zu hören und wärmer war es auch wieder geworden.
Kätzchen spitzte die Ohren und hörte was da draußen los war.
„Hallo liebe Kinder, wißt ihr denn, wer ich bin“ fragte die dunkle Stimme des großen Mannes.
Kätzchen hatte es gleich wieder erkannt.
„Du bist der Nikolaus“ schrien aufgeregte Kinderstimmen durcheinander.
Nikolaus, dachte das Kätzchen, schon wieder so ein fremdes Wort. Aber wenigstens wußte es jetzt, wie der große Mann mit Namen hieß.
„Das ist richtig, und weil ihr brav gewesen seid, habe ich euch auch etwas mitgebracht.“
Der Nikolaus öffnete den Sack und griff mit seiner großen Hand hinein. Er erwischte die blonde Puppe die knapp neben unserem jetzt wieder sehr ängstlichen Kätzchen lag.
„Die ist für dich, weil du ganz besonders fleißig in der Schule warst.“ sagte der Nikolaus freundlich.
„Vielen Dank, lieber Nikolaus“ bedankte sich eine artige Stimme.
„Und was bekomme ich“ rief eine helle Stimme ungeduldig dazwischen.
„Sei doch ruhig, du kommst auch noch dran“ Das klang so ähnlich wie die Stimme des Nikolaus, aber doch ein bißchen anders. Wieviele wollten denn da noch Geschenke? dachte das Kätzchen nervös.
„Für dich habe ich ganz was Schönes dabei“ lachte der Nikolaus
Wieder fuhr die große Hand in den Sack. Oh Schreck sie packte nach dem braunen, dicken Teddybären, an welchem unser Kätzchen so angstvoll klammerte.
Nein, nein, schrie es innerlich, und krallte sich noch mehr in das Fell und plötzlich gab es einen Ruck und Kätzchen war aus dem Sack und landete in zwei kleinen Kinderarmen.
Das war vielleicht ein Anblick.
Alle schauten mit großen Augen auf das kleine Kätzchen, welches sich am liebsten in den Teddybären hinein verkrochen hätte.
Der Nikolaus, die Eltern und das kleine Mädchen schauten verdutzt auf den kleinen Jungen der sein „Geschenk“ in den Armen hält.
„Eine Katze“ rief er freudig, „und ein Bär, gleich zwei Geschenke“.
„Da stimmt aber was nicht“ murmelte der Nikolaus stirnrunzelnd, „das stand nicht auf meiner Wunschliste“.
Auch die Eltern der Kinder schauten völlig entgeistert, erst auf die Katze und dann auf den Nikolaus.
„Ist die süß“, sagte das kleine Mädchen und streichelte liebevoll das Fell des Kätzchens.
„Schau mal sie hat ja Angst“. Die Mutter nahm unser Kätzchen, was noch völlig verängstigt an dem Teddy hing vorsichtig in den Arm und kraulte ihm das Köpfchen.
„Tja das ist zwar nicht ganz das was wir bestellt hatten, aber so ein hübsches Tierchen geben wir natürlich nicht mehr her. Dich schickt ja förmlich der Himmel zu uns.“ lachte die freundliche Frau und dann lachten alle.
Noch nie hatte Kätzchen so liebevolle Streicheleinheiten bekommen. Es begann sich zu entspannen und schnurrte ganz leise.
Die ganze Familie stand jetzt um den unfreiwilligen Gast und beobachteten das kleine Kätzchen.
Der Nikolaus legte seine große Hand auf sein Köpfchen.
„Ich bin mir zwar noch nicht sicher, aber ich kann mir schon denken wo ich dich aufgelesen habe. Hier wird es dir bestimmt gut gehen kleines Kätzchen.“ schmunzelte der Nikolaus
Ihr könnt euch sicher denken, wie überrascht unser Kätzchen war als es von allen Seiten gestreichelt und geherzt wurde. Das erste Schüsselchen voller warmer Milch schmeckte wundervoll und die Erinnerungen an die frühere Zeit mit der Mutter und den Geschwistern stiegen wieder in ihm hoch.
Und als sich der Nikolaus später verabschiedete und mit lauten Gebimmel von dannen fuhr, stand unser Kätzchen dankbar und glücklich am Fenster und schaute zu wie sich die große Kutsche mit den vielen braunen Tieren in die Luft schwang und langsam am Horizont verschwand.
Es hatte wieder leicht angefangen zu schneien und als sich unser Kätzchen vom Fenstersims ins heimelige warme Wohnzimmer mit dem großen geschmückten Baum und den Geschenken und den vielen Menschen die alle so lieb zu ihm waren begab, da dachte es sich, wenn das Weihnachten ist, dann ist es das schönste, was ich je erlebt habe.
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Das Weihnachtsglühwürmchen
Der Winter hatte Einzug gehalten. Und es lag dieser gewisse Zauber in der Luft, der die Weihnachtszeit begleitet. In der frostigen Erde schlummerten eng zusammengekuschelt und mucksmäuschenstill viele kleine Glühwürmchenlarven und träumten von dem nahen Frühling. Die Sonne strahlte vom tiefblauen Himmel und verkündete den Weihnachtstag.
Doch schliefen wirklich alle Larven? Da bewegte sich doch was. Eines davon litt an chronischem Schlafmangel. Irgendwie wollte es nicht klappen mit der Winterruhe. Es wurde ständig wach, schaute auf seine schlafenden Geschwister und begann sich zu langweilen. Warum dauert das denn noch so lange? Eigentlich wäre es bereit zu schlüpfen. Und so hell war es hier. Es beschloss die Zeit zu nutzen und unbemerkt von seinen schlafenden Mitlarven die vermeintlich kleine Welt zu erkunden. Es spürte dass es sich nur noch einmal richtig strecken musste und schon würde es seine ganze Pracht entfalten. Ungeduldig zappelte es vor sich hin und seine Brüder und Schwester fingen an sich zu rühren. Bloß nicht aufwecken, dachte es und bohrte sich langsam durch die kalte Erde in das strahlende Licht.
Als es mit seinem kleinen Köpfchen durch die harte Masse stieß, fühlte es plötzlich ein kaltes, ungewohntes Nass. Es schaut in die Sonne und ließ sich sein Köpfchen wärmen. Es nahm einen tiefen Atemzug ungewohnt frischer Luft und krabbelte vorsichtig durch den Schnee. Doch es war eindeutig zu kalt, das stand fest – Sonne hin oder her. Es besann sich umzukehren, um sich an seinen Artgenossen zu wärmen. Aber trotz der Kälte hatte der Schnee im Sonnenlicht eine magische Anziehungskraft. Alles sah so frisch und glänzend aus.
Es beschloss, einen kleinen Spaziergang zu machen, bevor es in sein Nest zurück krabbeln wollte und machte sich auf den Weg. Die Büsche und Bäume im Garten waren verschneit und der Käfer wagte einen mutigen ersten Flugversuch nach oben.
Hoho, das funktionierte aber noch nicht. Noch mal, los geht’s, dachte es und plötzlich klappte es seine kleinen Flügel aus und erhob sich federleicht in den Himmel. Was für ein Gefühl. So hatte es sich das immer vorgestellt. Das weiße Zeug war ja ganz nett, wenn nur diese lausige Kälte nicht gewesen wäre. Taumelig und schwankend flog das Würmchen in Richtung einer Tanne und ließ sich auf deren Zweig nieder. Völlig außer Puste musste das Würmchen erst mal verschnaufen.
Wie schön es war draußen zu sein. Stolz putze er seine Flügelchen und blinzelte in die Sonne. Das warme Licht machte ihn aber träge und so kam es, dass es ganz langsam einnickte und in tiefen Schlummer versank.
Halb steif gefroren wurde es wach und erschrocken blickte der kleine Käfer um sich. Stockdunkel war es auf einmal und eisig kalt. Es konnte sich nicht erklären, warum die Sonne so plötzlich verschwunden war. Schnell zurück in die Kinderstube, dachte es, erhob sich und flog wirr in der Dunkelheit umher. Wo war der Eingang zu seiner Heimat? Doch dann, plötzlich, sah es in der tiefen schwarzen Nacht einen schwachen Lichtschimmer. Er flog unsicher auf das Licht zu, welches immer heller und heller wurde. Magisch angezogen hörte es Stimmen und einen seltsamen Singsang.
War es ein Impuls, Instinkt oder ähnliches, unser Würmchen schaltete automatisch seine Laterne an – klick – und machte sich auf den Weg.
Das kleine Käferchen flog direkt zum Haus der Familie Schweiger. Mama, Papa, Tochter und Großeltern hatten gut gespeist und getrunken und die Kerzen am Christbaum angezündet. Sie sangen „Stille Nacht“ und freuten sich auf die Bescherung.
Mama Schweiger hatte die Terrassentüre leicht geöffnet, damit frische Luft herein kam. Genau durch dieses Fenster surrte das Käferchen, angezogen durch das für ihn unermesslich erscheinende Lichtermeer. Es schwirrte durch den Raum als plötzlich die kleine Tochter schrie: „Ein Glühwürmchen! Schaut nur!“ und deutete aufgeregt auf das verirrte Tier.
„Das gibt’s doch nicht im Winter, ja so was“ staunte die Mama und alle starrten auf den kleinen Käfer, der magisch vom Christbaum angezogen auf ihn zuflog. „Schnell, macht die Kerzen aus, sonst fliegt es noch in die Flammen!“ Papas Stimme überschlug sich. Die Familie stürzte auf den Baum zu und losch die flackernden Kerzen.
„Wir wünschen uns jetzt alle Gesundheit und Frieden. Das ist ein besonderes Zeichen heute am heiligen Abend“ sagte die Mama gerührt und alle nickten ergriffen.
Das Glühwürmchen sah nur wieder Dunkelheit und flog völlig verwirrt im heimeligen Wohnzimmer herum. Wo war es nur, es war doch alles so hell und jetzt leuchtet nur noch mein Hintern, dachte es. Es glaubte zu träumen.
„Wir machen das Terrassenlicht an, dann findet es hoffentlich wieder raus“ meinte die Oma und lief zum Lichtschalter in den Flur. Opa hingegen, der kein Verächter eines guten Schluckes war und bereits ordentlich Alkohol intus hatte, starrte auf das kleine Irrlicht.
„Schaut nur ein Glühweinchen“ nuschelte er und zeigte mit dem Finger auf das Licht.
Alle lachten den beschwipsten Opa aus und sahen erleichtert, dass sich das Glühwürmchen Richtung Fenster und nach draußen begab.
„Pass auf dich auf, kleines Glühwürmchen und Danke“ rief die Tochter und winkte ihm in der Dunkelheit hinterher.
Unser Glühwürmchen flog erleichtert in die frische Luft und weil die kleine Laterne in seinem Hintern hell genug leuchtete, sah er auch wieder die Stelle wo er aus der Erde gekrochen kam. Jetzt aber schnell nach Hause, so ein Tumult ist eindeutig zuviel, dachte es, und wurde schlagartig müde, aber so richtig müde. Und schwups, landete es am Eingang seiner Behausung. Eilig krabbelte es mit seinen Beinchen in die Erde hinein und schlüpfte zu seinen Geschwistern. Es schmiegte sich mitten in die schlafende Menge und schloss erleichtert die Augen.
War das aufregend, dachte es, ich habe soviel gesehen, und gleich ein Abenteuer erlebt. Mein Hintern leuchtet in der Dunkelheit, so was aber auch.
Da kann ich aber was erzählen wenn die anderen aufwachen freute es sich.
Oder hatte es das alles doch nur geträumt?
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Wunderbar vorgelesen von Patricia und Philipp, Knips Productions, vielen lieben Dank.
https://youtube.com/playlist?list=PLePJZS7z1bMEvnmLB6LrirxMauNCy4tvi
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Fröhliche „Geweihnachten“
„Wo möchtest du heuer Weihnachten feiern?“ fragt mich Tim am 3. Advent beim Frühstück. Eine ganz unschuldige Frage und doch löst sie bei uns beiden einen sehr „un-besinnlichen“ Streit aus.
Es führt dazu, dass wir nun schon seit Tagen nur noch höfliche Kommunikation austauschen, so in etwa „ja“, „nein“, „wie du meinst“. Der Grund: Tim und ich kennen uns seit 10 Jahren. Wir wohnen zusammen und lieben uns und haben noch nie alleine den Heiligen Abend zusammen gefeiert. Entweder waren wir bei meinen Eltern oder bei seinen. Immer schön abwechselnd damit keiner beleidigt ist. Das hat zur Folge, dass wir auch keinen richtigen Christbaum haben, nur das Adventsgesteck. Es macht wenig Sinn einen Baum zu schmücken und dann am wichtigsten Abend nicht dazu sein. Da sind wir uns einig.
„Bei meiner Familie, wir sind dran, schon vergessen?“ sage ich und beiße herzhaft in einen Lebkuchen. Pfeif auf die Kalorien in der staden Zeit. „Ja, aber wir waren letztes Jahr nur kurz bei uns weil Mama krank war und eigentlich war Marie (Anmerkung: seine nervige Schwester) nicht da und das Ganze war wenig gemütlich. Mama will heuer nochmal richtig nachfeiern. Wir können ja am ersten Feiertag zu deinen Eltern fahren, oder?“ Tim sieht mich mit seinem Hundeblick treuherzig an. „Nein echt nicht, Mama hat mich schon gefragt, was wir essen wollen und überhaupt verstößt du gerade gegen die Regel, mein Schatz“. Ich blicke verwundert auf. Was soll das denn jetzt? „Komm schon, wir müssen ja nicht immer nach Plan machen. Deine Brüder (Anmerkung: ich habe drei Brüder, Nichten und Neffen und bei uns war immer das Haus voll), kommen mit der ganzen Horde, da gehen wir doch unter. Ich möchte auch Marie mal wieder sehen und mit ihr reden, sie fährt am ersten Feiertag schon wieder zurück zu ihren Schwiegereltern (Anmerkung: Marie kommt ohne Familie, warum auch immer). Bei euch ist es eh immer so unruhig und eng.“ „Sag mal geht’s noch? Wir haben das immer schön so aufgeteilt und nur weil Marie mal wieder schnell, schnell vorbeihuscht und deine Mutter mal ausnahmsweise nicht leidend ist, soll meine Familie jetzt leer ausgehen? Dann können wir gleich auf getrennt machen, du gehst zu deinen, ich zu meinen Eltern. Wäre sowieso die bessere Idee. Mich nervt eh dieses Hin und Her. Geht mir schon seit Jahren auf den Senkel. Und überhaupt was heißt bei meiner Familie ist es unruhig?“ „Aha, meine Mutter ist also mal wieder schuld weil sie Migräne hat“ fährt Tim mich an, usw. und sofort giften wir uns über den Frühstücktisch an. Das ganze wurde letztendlich immer unsachlicher und weil wir schon mal bei Streiten sind, werfe ich Tim gleich noch vor, dass die Umzugskiste von seiner im Sommer verstorbenen Oma immer noch im Arbeitszimmer steht und wenn der Krempel (was immer auch da drin ist) nicht bald verschwindet, dann schmeiß ich es eigenständig weg. Mich gehe das nichts an, meint er und überhaupt wolle er das schon längst mal sagen, dass ich mit meiner „Wegschmeisserei“ zu weit gehe. Seine Sachen! Werbung, alte Zeitungen, ausgepresste Zahnpastatuben, alles wird aufgehoben bis es vergilbt oder vertrocknet.
Mensch, haben wir uns plötzlich gefetzt. Zum Schluss breche ich in Tränen aus und werfe mich im Schlafzimmer aufs Bett. Tim setzt sich vor seinen Laptop und wir sprechen den ganzen Tag kein Wort mehr miteinander. Da wir beide schlimme Starrköpfe sind, wird das Thema Weihnachten bis zum 23.12. nicht mehr angesprochen. Wir gehen mittlerweile davon aus, dass jeder zu seiner Familie geht.
Wir lieben eigentlich beide die Adventszeit und schauen uns gerne kitschige Filme im Fernsehen an. Jetzt läuft irgendein Ramsch in der Glotze und beide fummeln wir an unseren Smartphones rum. Wir gehen getrennt mit Kollegen oder Freunden zu den Christkindlmärkten und versauen uns somit die restliche Vorweihnachtszeit.
Stimmt wohl doch, dass die Nerven um diese Zeit blank liegen. Ich hatte in der Zwischenzeit auch für mich beschlossen den Heiligen Abend zu Hause zu verbringen. Ich habe keinen Nerv meiner Familie etwas vorzuspielen oder zu lügen und ich will mich einsam und gekränkt zu Hause verkriechen. Nur ich, der Adventskranz und Bruce Willis in „Stirb langsam 24“.
Meine Eltern mischen sich Gott sei Dank nicht ein und lassen mich in Ruhe. Ich war dankbar dafür. Am ersten Feiertag will ich dann zu ihnen fahren und mit meinen Nichten und Neffen spielen. Dann kann ich auch gleich erklären warum das ganze Fest gekippt ist.
Am Morgen des 24.12. wache ich spät auf. Tim war schon aufgestanden und ich höre ihn rumkramen und rascheln. Er packt wie immer auf die letzte Minute Geschenke ein. Dann wird er zu seiner Familie fahren und ich konnte die Wohnung für mich besetzen. Ich räkele mich noch etwas und bin ziemlich traurig.
Warum gehe ich nicht einfach zu ihm und küsse ihn, sag das es mir leid tut und ich allem zustimme was er möchte. Es war doch Heiliger Abend. Nein. Warum immer ich? Eigentlich gebe immer ich nach, wirklich ist so.
Plötzlich höre ich Tim rufen: „Hey, komm schnell ins Wohnzimmer. Beeil dich“.
Ich springe aus dem Bett weil ich denke es ist was passiert. Tim bringt es fertig sich mit der Schere schwer zu verletzen, der alte Chaot. Ich laufe zum Wohnzimmer und bleib wie angewurzelt vor der Türe stehen.
Tim sitzt auf unserem Sofa. Er hält einen alten Hirschkopf in den Händen. Das Geweih ist mit lauter bunten alten Kugeln und zerfledderten Lametta behängt. Es sieht einfach nur zum Schießen aus.
„Das habe ich gestern in Omas Nachlass gefunden.“ Er hebt das geschmückte Ungetüm auf seinen Kopf. „Fröhliche Geweihnachten“ mein Schatz, hast du mich wieder lieb?“ Tim sieht aus wie ein Rentier zum Knutschen. Ich laufe zu ihm und wir lachen und küssen uns wie schon lange nicht mehr. Der röhrende Weihnachtshirsch bekam ein schönes Plätzchen in der Wohnzimmerecke. Wir verbrachten einen traumhaften Nachmittag und später, nach einem feinen Essen mit Wein und Schmuserein, setzen wir uns zu unserem „Christbaum“ und feiern unsere schönste Weihnachten zu zweit. Ohne Familie und Bruce Willis.
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Paula überlebt Weihnachten
Auf einem kleinen Bauernhof, der schon bessere Zeiten gesehen hatte, lebte noch der alte Hund Bello, die Kuh Frieda, Kater Max und die Gans Paula. Als Paula geboren wurde, bedauerte sie bald kein Schwan geworden zu sein. Sie putzte sich pausenlos ihre weißen Federn, fraß nur die Hälfte des grässlichen Futters und achtete streng auf ihre Linie, indem sie jeden Tag einen strammen Marsch um den Hof watschelte. Sie war eitel und vornehm. Eine arrogante Gans, ein Möchte-Gern- Schwan eben. Das missfiel natürlich auch der Bäuerin.
„So a dürres Vieh mog koana zu Weihnachten“ schimpfte sie bereits letztes Jahr im Stall bei der Fütterung, als sich die anderen Gänse auf die alten Kartoffelschalen stürzten. Paula saß hochschnäbelig auf einer alten Holzkiste und schaute verachtend ihren Artgenossen beim Schlemmen zu. Das wird euer Todesurteil, ihr dummen Gänse. Paula erinnerte sich noch gut. Die Gänse bekamen in der Zeit besonders viel zu fressen und als es immer kälter wurde und zu schneien begann, waren die Gänse plötzlich weg. Der rotgesichtige Bauer, er lebte damals noch, packte sie an den Hälsen und steckte sie in eine Transportkiste und fuhr mit ihnen weg. Eine dicke besonders dumme Gans, Paula konnte sie nicht ausstehen, wurde in die Küche gebracht und als der Christbaum geschmückt in der Ecke stand, lag diese bereits knusprig braun gebraten in dem Bräter auf dem Herd. Mit mir nicht, beschloss Paula darauf und zog ihr strenges Fitnessprogramm gnadenlos durch.
Jetzt stand wieder Weihnachten vor der Tür. Es wurde kalt und es roch nach Schnee. Die alte Bäuerin lebte alleine auf dem Hof und kümmerte sich mehr schlecht als recht um das Gehöft und die Tiere. Sie hustete zum Steinerweichen. Der Kater hatte sich längst auf dem Nachbarhof niedergelassen und kam nur noch sporadisch vorbei. Paula spürte die Gefahr. Weihnachten war ein Fest des Grauens für Gänse. Die Bauersfrau hatte ihr gestern das Fressen gebracht und sie genau beäugt.
„Diesmal bist fällig, für mich reicht’s, du depperte Gans“ und verließ hinkend den Stall.„ Brings hinter dich“ knurrte der alte Hund und schlief wieder ein. Die Kuh fraß wortlos ihr Heu und schaute Paula mit traurigem Blick an. Es war auch wirklich kein Vergnügen mehr. Ihre Artgenossen fehlten ihr, auch wenn Paula das ungern zugab. Sie fror unter ihrem Federkleid. Eine schlanke Figur war im Winter ein Fluch. Eine schlimme Zeit kam auf sie zu und sie fühlte ihr nahes Ende. Am nächsten Morgen hörten die Tiere das Husten der Bäuerin bis in den Stall. Die erstickt sicher bald, dachte Paula und schämte sich für ihre Gedanken. Was sollte denn aus den anderen werden? Sie selber wurde sicher vorher noch verspeist und hatte es überstanden. Sie hörten plötzlich die alte Bäuerin reden, krächzend und schnell. Dann wieder dieser schlimme Husten. Im Stall war es vollkommen still. Bello und Frieda warteten auf ihr Fressen und Paula auf ihren Gang zum Schafott in den Bräter. Nach einer Ewigkeit kam ein Auto mit Blinklampe und machte einen Höllenlärm. Paula watschelte zu der offenen Stalltür und sah wie eine Frau und zwei Männer der Bäuerin in den Wagen halfen. Dann verließ das Auto den Hof in Windeseile.
„Sie ist weg“ sagte Paula zu den anderen. „Naja die kommt sicher gleich wieder, so zäh wie die ist. “Sie warteten den Nachmittag und die ganze Nacht. Am nächsten Morgen verspürte sogar Paula leichten Hunger.
„Ich schau mal nach“. Paula verließ den Stall und sah, dass die Tür zum Haus angelehnt war. Neugierig spähte Paula hinein in die gute Stube. Auf dem großen Holzofen thronte der Bräter. Der Sarg steht also schon da. Eigentlich kann ich schon mal Probesitzen, dachte sie grimmig.
Galgenhumor war schon immer Paulas Stärke und sie flatterte auf den Tisch und hüpfte rüber auf den Herd. Wenigstens hatte die Alte ihn schön geputzt. Paula graute vor Dreck. Zumindest will ich hübsch sterben, dachte sie und stieg vorsichtig in den Bräter. Erhaben und stolz blickte Paula von oben herab durch die Wohnstube und ihr kleines Gänseherz begann auf einmal heftig zu schlagen.
Soviel Entbehrung und Kasteiung hast du dir angetan und jetzt wirst du doch sterben wie alle anderen. Die Alte kam sicher mit einem Mordshunger nach Hause und warum sollte ich sie nicht überraschen? Sie kann mir gleich hier den Hals umdrehen und ich habe zumindest noch meinen Triumph und zeige ihr meinen Mut. Paula fühlte sich sehr schlecht und müde. Das alles war auch wirklich der Horror. Sie schloss ihre Augen und begann einzudösen. Sie träumte von einem herrlichen blauen See und sah sich mit wunderschönen Schwänen darin schwimmen. Es war wie im Märchen. Paula hörte nicht den Wagen der in den Hof fuhr.
Eine Frau, ein Mann und zwei kleine Mädchen stiegen aus und gingen zu dem Haus. Sie betraten die Stube und in diesem Moment wachte Paula auf. Sie erstarrte, konnte sich vor lauter Schreck nicht rühren. Der Familie ging es wohl genauso, denn sie schauten auf die Gans im Bräter und konnten es nicht fassen. Doch dann lachten sie alle schallend und konnten nicht mehr aufhören.
„Sieh dir das an“ sagte die Frau mit Tränen in den Augen zu ihrem Mann “der Weihnachtsbraten begrüßt uns schon“. Die vier kamen vorsichtig auf Paula zu und der Mann sagte freundlich.
„Keine Angst, kleines Gänschen. Wir machen uns nix aus Fleisch, bei uns gibt’s Fisch zum Fest. Und so schlank und pfiffig wie du bist, behalten wir dich als Unterstützung für Bello.“
„Die Oma ist im Krankenhaus und muss dann ins Heim und wir wohnen jetzt hier und kümmern uns um den Hof“ sagte eines der Mädchen und streichelte vorsichtig Paulas zitterndes Federkleid.
Paula erlöste sich langsam aus ihrer Starre, stieg schnell aus dem Bräter und flatterte in Richtung Ausgang. Ihr hatte es die Sprache verschlagen. Schnell huschte sie zurück in den Stall und viel dort vor den anderen in eine gnädige Ohnmacht.
„Siehst du, nix Fressen ist schlecht für die Nerven“ knurrte Bello zu Frieda und schlief wieder ein.
Am Heiligen Abend, der Stall war gereinigt, die Tiere gefüttert, hörten diese plötzlich ein Singen. „Oh du fröhliche ,oh du selige, Gnadenbringende Weihnachtszeit“.
Paula wurde neugierig. Sie ging zu dem Haus und sah durch das kleine Fenster. Die Familie saß am Tisch und verzehrte ihre Forellen mit Kartoffelsalat. Sie lachten und ließen sich das gute Essen schmecken.
Ein herrlich geschmückter Christbaum funkelte in der Ecke.
Eine nette Familie ist das, vor allem sind alle so schlank, dachte Paula zufrieden. Weihnachten ist eigentlich schön, besonders wenn man es erleben darf, freute sie sich. Sie hatte heute eine Ausnahme gemacht und das hochwertige Futter, welches ihr gereicht wurde, komplett aufgefressen. Ein kleiner Rundgang um den Hof ist sicher gut für die Verdauung und sie konnte gleich noch nach dem Rechten sehen. Paula schüttelte zufrieden ihr weißes Federkleid, streckte ihren langen Hals und watschelte stolz durch die sternenklare stille Winternacht in eine glückliche Zukunft.
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Mein Weihnachtsgefühl
Jeder der ein christliches Weihnachtsfest feiert, kennt dieses Gefühl. Aufregung, Vorfreude, der Blick für alles Schöne und Gute. Mitgefühl, Nachsicht und die Unschuld eines Kindes erfasst das Gemüt. Das alles weht einen ins Herz und lässt uns hoffen auf ewigen Frieden und Glück. Meistens ist am ersten Weihnachtsfeiertag wieder Schluss damit. Wir denken an Sylvester und wo man es hinter sich bringen wird und spätestens nach Heilig Dreikönig gehen wir wieder unserem nüchternen Alltag nach.
Ich war eine Frau in den besten Jahren. Ich sehe durchschnittlich aus, ich verdiene durchschnittlich in einem kleinen Handwerksbetrieb als Buchhalterin. Ich bin alleinstehend aber nicht unglücklich damit. Ich habe Bekannte und Nachbarn. Ich bin nicht unfreundlich aber auch nicht aufdringlich und am liebsten verbringe ich meine Freizeit alleine in der Natur. Überschwängliche Emotionen sind mir genauso fremd wie ständiges Geschnatter um unnützes Zeug. Esoterik und aller Art von Religionen lehne ich ab. Soviel dazu.
Meine Geschichte begann vor einem Jahr kurz vor Weihnachten. Überall drängte sich wieder der schillernde Konsum unnützem Kitsch auf. Ich mied den Weihnachtsterror wo es nur ging. Im Betrieb herrschte eine ausgelassene Stimmung. Wir tranken Glühwein und aßen Plätzchen und ich machte mich frühzeitig davon um noch etwas spazieren zu gehen. Ich packte mich warm ein und lief zu unserem Stadtfriedhof. Der richtige Platz um sein Ruhe zu haben. Ich ging an eingeschneiten alten Gräbern mit unbekannten Inschriften vorbei. Es war totenstill. Plötzlich verharrte ich an einem Grab, deren Stein die Form eines Herzens hatte. Es war ein neueres Grab. Ein Kind lag dort begraben. Es wurde nur sechs Jahre alt. Es wurde am Heiligen Abend geboren und war auch letztes Jahr am Heiligen Abend verstorben. Ein kleines Bild zeigte ein Mädchen mit fröhlichem Lachen und braunen Zöpfen.
Ich starrte auf das Bild und mir zog plötzlich etwas durchs Herz, Mark und Bein. Ich griff mir an die Brust und dachte ein Herzinfarkt überfiel mich, aber es war etwas anderes. Ein warmes, leichtes und unglaublich intensives Gefühl strömte plötzlich durch meine Adern. Ich spürte eine mir völlig unbekannte Leichtigkeit und Freude. Erschrocken blickte ich mich um. Ich fühlte mich an diesem Ort meiner Gefühle ertappt. Schnell verließ ich das Grab und den Friedhof. Zu Hause verkroch ich mich gleich ins Bett und fiel in einen traumlosen Schlaf. Am nächsten Morgen erwachte ich wieder mit diesem seltsamen Gefühl der Freude und Zuversicht.
Es fühlte sich an, wie wenn ich jemanden mit tiefster Liebe erwarten würde. Ich duschte kalt und verließ unruhig das Haus. In der Arbeit fragten mich die Kollegen ob ich guter Dinge wäre, ich hätte ein Strahlen in den Augen. Beim Bäcker, die Nachbarn, Kollegen, alle Menschen in meiner Umgebung, sie lächelten mich an und wünschten mir fröhliche Weihnachten. Ich lief anscheinend den ganzen Tag mit einem Grinsen im Gesicht herum.
Etwas war mit mir geschehen. Ich wollte plötzlich die ganze Welt umarmen. Ich freute mich über das Morgengrauen und empfand den Tag als mein persönliches Geschenk. Weihnachten ging ich in die Kirche und nahm die Einladungen verschiedener Bekannten gerne an. Ich führte lang vorhergeschobene Gespräche mit entfernten Verwandten und erlebte meinen ersten Weihnachtszauber. Alles fühlte sich gut und richtig an.
Am Anfang versuchte ich es noch zu ignorieren, stieß es immer wieder von mir. Aber es ließ mich nicht mehr los, dieses Gefühl. Ärzte, Psychologen, Geistliche, jeder wusste etwa dazu zu sagen. Aber keiner konnte mir erklären was mit mir los war. Ich nannte es bald mein Weihnachtsgefühl, denn auch lange nach den Feiertagen blieb es in meinem Herzen. Ich ergab mich ihm hin und durchlebte ein Jahr voller Zufriedenheit und Glück.
Vieles hatte sich dadurch verändert. Ich nahm meine Umwelt mehr wahr und hatte das Bedürfnis anderen mehr zuzuhören und zu helfen. Ich wurde gesellschaftsfähig.
Es forderte mich auch, dieses unbekannte Gefühl. Es verlangte etwas von mir. Als ob ich eine Aufgabe zu erfüllen hätte. Ich nahm eine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Kindergarten wahr. Kinder verstanden mich am besten. Sie erfreuten sich am einfachsten im Hier und Jetzt und sahen dem Leben ohne Argwohn entgegen.
Ein wenig war ich wie sie geworden. Oft musste ich mich bremsen um nicht andere mit meinem Frohsinn zu erschrecken. Eine Blumenwiese, Schmetterlinge oder einfach ein Butterbrot versüßten mir den ganzen Tag.
Es war wieder Adventszeit geworden und wir bastelten im Kindergarten eine Krippe. Ich lauschte zufrieden dem Geplapper der aufgeregten Kinder und freute mich auf Weihnachten. Obwohl ich das ganze Jahr Glückseligkeit verspürte, war mein Gefühl zu dieser Zeit noch stärker geworden.
Eine Erzieherin erzählte eine Weihnachtsgeschichte. Die Kinder hörten mit großen Augen zu und es war herrlich ihnen zuzusehen. Als die Geschichte zu Ende war, erzählte die Frau den Kindern, dass ein kleines Mädchen diese Geschichte besonders mochte. Das Kind liebte Weihnachten über alles und es war an Heiligen Abend geboren und leider auch verstorben. Sie vermisst es sehr, denn das Mädchen war ein ganz besonderes Kind so wie alle Kinder etwas Besonderes sind. Die Frau hatte Tränen in den Augen.
Mich überfiel ein Schaudern. Mein Weihnachtsgefühl zeigte sich das erste Mal an dem Grabstein der wie ein Herz aussah und ich erinnerte mich noch gut an das Bild von dem kleinen Mädchen mit den Zöpfen.
In der Mittagspause nahm ich die Frau zur Seite und erzählte ihr meine Geschichte. Sie sagte mir sie sei die Mutter des Mädchens. Ihre Tochter war ein glückliches Kind dass nur Freude verbreitete. Weihnachten war ihre liebste Zeit und sie feierten ihren Geburtstag und das Kommen des Christkinds immer besonders innig und schön. Sie starb an einem plötzlichen Herztod.
Ich umarmte die Frau und sie ließ sich von mir trösten. Sie meinte, sie spürte eine wunderbare Wärme und Zufriedenheit, so als ob sie ihr Kind wieder in den Armen hält.
Wir wurden Freundinnen und wenn wir gemeinsam zu dem Grab ihrer kleinen Tochter gehen, strahlt das glückliche Lächeln des Kindes direkt in unsere Herzen.
Ich verstehe mich als Botschafterin dieses Mädchens. Mein Gefühl will, dass wir alle ein wenig mit Kinderaugen durchs Leben gehen und uns das ganze Jahr an den kleinen Dingen erfreuen. Für mich ist es das schönste Geschenk was ich je bekommen habe. Woher immer es auch kam, es gehört nur mir.
Versuchen Sie es doch auch. Irgendwo ist ein Gefühl, das nur auf sie wartet. Lassen Sie es in ihrem Herzen wohnen. Trauen sie sich ruhig. Warum sollte dann nicht jeder Tag ein bisschen wie Weihnachten für uns alle sein?
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Weihnachten auf der Biberburg
Es hatte mächtig angefangen zu schneien. Morgen war Weihnachten. Der Schnee legte seine weiße Decke auf Bäume, Felder und Dächer. An einem kleinen Bach lebte eine Biberkolonie. Riesige aufgetürmte Äste und Zweige waren dort zu einem kunstvollen Heim verbaut worden. Gestautes Wasser verwandelte sich, bald gefroren, tiefschwarz zu einem kleinen See vor der Biberburg.
Nicht weit weg, so dass es die Biberfamilie nicht störte, lag ein einsamer Bauernhof.
Die Familie dort freute sich auf die Festtage. Der Papa hatte mit den Kindern einen kleinen Baum im Topf gekauft. Draußen muss er stehen, mitten im Hof. In der guten Stube wurde morgen der richtige Weihnachtsbaum aufgestellt. Aufgeregt und mit strahlenden Gesichtern hängten die Kinder Lametta und Strohsterne auf die kleine Tanne. Später sollte dann die Lichterkette angebracht werden. Wenn es dunkel war und alles heimelig aussieht. Die Familie war so mit sich beschäftigt, dass sie die beiden kleinen Biber nicht bemerkten. Diese versteckten sich hinter dem nahen Fichtenwald und sahen dem merkwürdigen Treiben zu.
„Was machen die da? Sie behängen einen Baum mit Glitzerzeug und warum steht der in einem Topf?“ fragte sich der weibliche kleinen Nager.
„Komisches Volk, Bäume müssen gefällt und zu Baumaterial genutzt werden.“ Der kleine Bibermann schüttelte seinen nassen Kopf.
„Ja, wirklich seltsam, aber schau wie schön der Baum aussieht.“ Das kleine Bibermädchen geriet in Verzückung. Sie konnte sich gar nicht satt sehen an dem vielen Geschmeide. Ihr Bruder sah das Ganze eher pragmatisch. Er wollte zum Bau zurück, die Familie vermisste die beiden sicher schon.
„Sieh nur, sie haben so viel Freude damit.“ Das Bibermädchen machte große Augen. Sie hatte sich bereits in den Christbaum verliebt.
Die Kinder sprangen jetzt um die geschmückte Tanne herum sangen „Oh Tannenbaum, Oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter….“.
Nach einer Weile ging die Familie in ihr Haus zurück und es wurde ruhig auf dem Hof.
„Ich möchte auch so einen Baum haben. Wir könnten doch auch eine Tanne abnagen und sie auf unseren Bau stellen. Aber wir haben keinen Schmuck. Schade.“ Die Biberschwester schaute enttäuscht.
Ihr Bruder, immer schon zu derben Scherzen neigend, zeigte grinsend seine breiten Vorderzähne.
„ Warum der Aufwand. Wir holen uns deinen Baum, geschmückt, direkt vom Hersteller. Das wird ein Kinderspiel für mich.“ Er stellte sich auf seine Hinterpfoten und witterte die Lage.
Alles war still und es wurde bereits dämmrig.
„Du willst den Baum doch nicht etwa stehlen? Sowas darf man nicht“. Das Bibermädel war ein anständiger Nager. Es reichte doch schon, dass die Biberfamilie kostenlos den halben Wald des Hofbesitzers in sein Revier transportierte.
„Willst du ihn jetzt haben oder nicht? Die Menschen können sich jederzeit wieder so ein Ding herstellen. Also, wir warten noch etwas und dann schnappe ich ihn mir“.
Ihr Bruder war bereits Feuer und Flamme. Was für ein Spaß, endlich mal eine Mutprobe.
Die Bibergeschwister verharrten still in ihrem Versteck, die Herzen pumperten in ihrer Brust.
Das eine vor Freude, das andere vor Angst.
Dann ging plötzlich alles sehr schnell. Der Biberjunge huschte über den Hof zu dem Christbaum im Topf. Er stellte sich auf und hackte seine Vorderzähne in den kleinen Stamm. Das Tännlein, eher zart und schmalstämmig, kippte sofort auf den Boden. Geschickt und vorsichtig zog der Mutige das Bäumchen Richtung Schwester, die ihre Pfötchen begeistert aneinander rieb.
Schnell liefen sie zurück in ihren Bau. Der Bruder voran mit dem Stamm in den Zähnen, die Schwester hinterher und los ging’s Richtung Heimat.
Im Biberdorf erwarteten die beiden schon die besorgten Eltern. Als diese ihre Kinder mit der Tanne kommen sahen, waren alle erst mal erleichtert. Eigentlich sollten die Kleinen schon längst Winterkuscheln.
„Mama, Papa, schaut nur, wir haben einen Baum gefunden mit Schmuck drauf.“ Das Bibermädchen war so in ihre Phantasiewelt getaucht, dass ihr die kleine Lüge sorglos über das Mäulchen ging.
„Soso“ sagte der Vater streng, „und deshalb kommt ihr so spät? Was wollt ihr jetzt mit ihm machen?“ Lange konnte er seinen Kindern nicht böse sein und auch die Bibermama war froh, dass die Kleinen wieder heil zu Hause waren.
„Wir stellen ihn auf die Burg und singen, „Oh Tannen..“ rief die Schwester, als ihr der Bruder eine in die Seite hieb. Jetzt hätten sie sich beinahe verraten, aber es kamen bereits lautstark die restlichen Biber der Großfamilie dazu und begutachteten erstaunt den Christbaum.
Dieser lag etwas ramponiert und trostlos auf dem Boden. Nach vielen Hin und Her zogen der Papa und ein Onkel die Tanne auf den Bau und steckten ihn mit viel Mühe fest in das Ast- und Wurzelgeflecht. Etwas schief und krumm, das Lametta verknäult, die Strohsterne geknickt, mitten auf einem Flussbett umringt von andächtigen Bibern, stand er nun in seinem neuen Zuhause.
Was für ein Anblick.
„Schau Opa, ist er nicht wunderschön“ lachte das Bibermädchen freudig und kuschelte sich an den alten Biber, der ebenfalls wegen der Aktion seinen Bau verließ. Alle fanden das nadelige Baumaterial, behängt mit allerlei Zeug mehr als spannend und freuten sich über die kleine Abwechslung.
Es war schon richtig spät als auf der Biberburg endlich Ruhe einkehrte.
Auf dem Bauernhof gab’s am nächsten Morgen erst mal Tränen und Verwirrung wegen dem verschwundenen Christbaum. Der Vater sah sofort die Schleifspuren im Schnee, die sich durch den Hof zogen und Richtung Bach verschwanden. Er machte sich mit seiner kleinen Tochter und Sohn auf den Weg. Wer klaute denn einen Christbaum und das vor Heilig Abend? Die drei verfolgten die Spuren und sie kamen nach einiger Zeit an den kleinen Staudamm den die Biber errichtet hatten. Der Vater wusste von der Biberkolonie aber es störte ihn nicht weiter, eine Überschwemmung war nicht zu befürchten und Biber standen unter Naturschutz.
Als sie näher kamen trauten sie ihren Augen nicht.
Mitten auf der Biberburg thronte ihr Christbaum. Das Lametta und die Strohsterne flatterten im Wind
Vor dem mächtigen Bau saßen zwei kleine Biber und starrten zu ihnen herüber.
Alle waren mucksmäuschenstill. Welch seltsame Begegnung und Schauspiel war das.
„Ich denke das lassen wir mal durchgehen oder? Warum sollten nicht auch Biber Weihnachten feiern? Was meint ihr? Wir haben ja noch unseren Christbaum im Wohnzimmer.“ Der Papa hatte sich als erster gefangen und plötzlich mussten die Kinder und er laut lachen. Sie konnten gar nicht mehr aufhören und lachten noch als sie sich schon auf den Heimweg machten. Die Kinder konnten es nicht abwarten, der Mama alles zu erzählen. Eine richtige Weihnachtsüberraschung.
Die Bibergeschwister schauten sich an und bleckten ihre gelben Nagezähne.
„Siehst du, die sind sogar froh dass sie das Gestrüpp los sind. “, neckte der freche Bruder seine Schwester. Diese war ganz erleichtert, dass die Menschen den Tannenbaum nicht einfach wieder mitnahmen. Sie sah es als Friedensangebot und freute sich jetzt richtig über ihren Christbaum.
„Oh Tannenbaum, Oh Tannenbaum“ sang sie freudig…“wie geht’s gleich weiter?“
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Bens Weihnachtswunsch
Jenny ging als Christkind zur Weihnachtsfeier. Weißes kurzes Kleid und goldener Haarreif mit Heilgenschein auf den blonden Locken, kleine goldene Pappflügel und schon sah sie aus wie ein Rauschgoldengel. Die Kollegen fanden es super und sie genoss die Komplimente. Wegen hoher Arbeitsbelastung fiel der Event auf den 23.12. Morgen konnten sie ja alle ausschlafen und den verdienten Weihnachtsurlaub antreten. Jenny fand eigentlich gar nichts aufregend an Weihnachten und der Heilige Abend bei der Familie war nervig und spießig. Ihre Eltern behandelten sie wie ein Kleinkind und sie wurde sicher wieder gemästet und mit Liebe überschüttet. Seit Jenny allein wohnte, frönte sie mehr dem Nachtleben und fand sich mit ihren zwanzig Jahren cool und unabhängig.
Die Feier war feuchtfröhlich und als die Idee kam, gleich anschließend ein frühes Frühstück im Cafe um die Ecke einzunehmen, war es schon nach neun Uhr morgens als sie sich alle lachend und müde von einander verabschiedeten. Jenny wohnte nicht weit weg von dem Cafe. Sie wollte ihren Brummschädel auskühlen lassen und ging zu Fuß nach Hause. Sie knöpfte ihre weiße Felljacke fest zu und marschierte, leise zu dem neuesten Hit summend, ihre kleine Einbahnstraße entlang. Neue Reihenhäuser mit schicken Vorgärten waren bereits festlich geschmückt und überall blinkte und funkelte es aus den Fenstern.
Nur das letzte Eckhaus war ohne Glanz und Lichterketten und als Jenny am Gartentor vorbei ging, saß ein kleiner Junge vor der Eingangstür und schaute ziemlich traurig drein. Als er Jenny sah, glitt ein so freudiges Strahlen auf sein kleines Gesicht, dass Jenny stehen blieb und zurück lachte. „Na Kleiner, wer hat dich denn so Früh ausgesetzt?“ fragte Jenny kess wie immer. “Bist du das Christkind?“ fragte er vorsichtig.
Jenny wurde sich ihres Outfits wieder bewusst und wollte gerade etwas klarstellen, als der kleine Junge schon das Tor geöffnet hatte und sie an der Hand nahm und Richtung Haus zog. „Halt warte doch mal“ Jenny ging in die Hocke und sah dem Jungen in die Augen. „Wo sind denn deine Eltern?“ „Die sind heut früh schon wieder in ihr Büro, da sind sie eigentlich immer. Heute kommen sie sicher auch wieder spät, aber heut ist doch Weihnachten und der Christbaum liegt noch im Keller und wahrscheinlich vergessen sie sowieso das du heute kommst. Jetzt kommt dann gleich mein Babysitter, aber die ist doof und hört nur Musik und mag mich nicht“ sprudelte es aus ihm heraus.
Und jetzt denkt er womöglich ich bin das Christkind, so ein Mist und das mir, dachte Jenny. Für sowas hab ich ja überhaupt keine Begabung.
Sie überlegte kurz und besann sich. Es war Heiliger Abend. „Wie heißt du denn überhaupt?“ Jenny setzte ihr schönsten Lächeln auf.
„Ben. Ich bin sechs Jahre alt. Er zeigte sechs kleine Finger in die Luft. „Pass auf Ben, du weißt dass ich heute viel zu tun habe, aber wo ich schon mal hier bin, komme ich kurz rein und trage dir den Christbaum hoch ins Wohnzimmer, ok?“ Ben nickte ganz wild und schob Jenny Richtung Haustür. Noble Hütte, alles klinisch sauber und ziemlich ungemütlich, dachte sie sofort. Sie schlüpfte aus ihrer Daunenjacke und zog ihre Flügel in Form.
Ben lotste sie gleich in den Keller und Jenny sah den Christbaum und den Halter dazu in einer Ecke stehen. Wenigsten war er nicht so groß. Sie klemmte ihn sich unter den Arm und Ben zog eifrig eine Kiste aus einem Regal „Der Schmuck ist da drin und die Krippe“ sagte er aufgeregt und lief schon wieder damit nach oben. Jenny versuchte ihre Kopfschmerzen auszuschalten und das Spiel einfach mitzumachen. Sie würde sich noch was einfallen lassen müssen wenn die Aufpasserin kam und sie hier antraf. Sie hatte Mitleid mit dem kleinen Kerl und eine Wut auf die abwesenden Eltern. Eigentlich sollten die hier sein und sich um ihr vereinsamtes Kind kümmern.
Im Wohnzimmer befreiten sie gemeinsam den Baum aus dem Netz und steckten ihn mit viel Mühe in den Halter. Ben öffnete die Kiste und ein Sammelsurium aus edelsten Kugeln, Glasfiguren und Strohsternen kam zum Vorschein. Ben lief zum CD-Player und schon dudelte „Lasst uns froh und munter sein“ durch das Wohnzimmer. Jenny musste schmunzeln als sie den Kleinen beobachtete. Ben strahlte und plötzlich wusste Jenny was es hieß, Kinder mit großen Augen vor dem Christbaum zu sehen. „Ich weiß schon was ich geschenkt bekomme“, Ben hing vorsichtig eine rote Kugel an den Baum. „Eine ganze Menge Spielsachen, ein Fahrrad, Hörbücher und Süßigkeiten, aber das weißt du ja selber, weil du das alles heute Abend bringst“. „Du klingst aber nicht so begeistert. Stimmt, du bekommst eine ganze Menge, mehr als viele andere Kinder“. „Eigentlich wünsche ich mir nur das Mama und Papa mehr Zeit für mich haben. Sie sind immer weg und abends müde und heute wird das sicher auch so sein“.
Jenny kniete sich zu Ben und sah ihm in die Augen. „Ben, erzähl deinen Wunsch deinen Eltern heute Abend und richte ihnen von mir aus, dass es nichts Schöneres und Wertvolleres gibt als Zeit für einander zu haben. Kein Spielzeug dieser Welt macht so viel Freude. Hast du verstanden?“ „Ja, hab ich, ich sag ihnen das du dir das auch wünscht“. „Richtig, Weihnachten ist ein Fest wo alle Menschen zusammenkommen, sich zuhören und für einander da sind. Das wünscht sich das Christkind am meisten“. Der Baum sah wunderschön aus und sie schauten stolz auf ihr gemeinsames Werk. „Die Kerzen machst du aber erst an wenn deine Eltern wieder da sind, versprochen? Ich muss jetzt los und du bleibst im Haus, draußen ist es kalt.“
Jenny ging in den Flur und zog ihre Jacke an. Plötzlich ging die Haustüre auf und ein junges Mädchen mit Kopfhörer und pinken Strubbelhaaren starrte sie entsetzt an. „Keine Angst ich bin nur das Christkind“ grinste Jenny. Sie streichelte Ben über das Haar. „Du wirst sehen, deine Eltern werden dir deinen Wunsch erfüllen, du musst nur fest dran glauben“. „Mach ich und danke, Christkind“ Jenny nahm den kleinen Jungen in die Arme und drückte ihn fest an sich. „Bis bald Ben und fröhliche Weihnachten“
Sie verließ das Haus und ging eilig weiter in ihre Straße. Sie hatte plötzlich eine solche Sehnsucht nach ihren Eltern und freute sich auf die Wärme und Geborgenheit die sie dort erwartete. So muss Weihnachten sein, dachte sie und hoffte, dass der kleine Ben seinen größten Wunsch erfüllt bekam.
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Der verschnupfte Christbaum
Im Försterbetrieb ging es zu wie im Taubenschlag. Meine Freunde die Blautannen, Fichten und Föhren lagen oder lehnten aneinander in Reih und Glied und warteten verkauft zur werden. Es gab nichts Schlimmeres für einen Baum wurzellos in der Kälte zu sterben. Kein Baum will sterben. Ich übrigens auch nicht. Vor einem Jahr wurde ich in einen Topf gepflanzt und stehe seid dem auf der kleinen Terrasse des Verkaufsladens des Försters. Die gefällten Bäume vom letzten Jahr verschwanden damals spurlos und wir da gebliebenen ahnten nichts Gutes.
Es wurde wieder kalt und wieder wurde gefällt. Es kamen Massen von Menschen und kauften die Nadelbäume, klemmten sie unter den Arm, warfen sie in den Kofferraum ihrer Autos und fuhren weg, auf Nimmerwiedersehen.
Was geschah mit ihnen, dachte ich unruhig. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl. Neugierig beobachtete ich die Hektik und hoffte dass bald alles vorbei war. Mein Förster gab sich gut gelaunt, die Kasse klingelte und den ganzen Tag spielte nadelzerreißende Musik aus dem Radio.
Seid gestern fühlte ich mich überhaupt nicht wohl. Mir war kalt in meinem Topf und meine Nadeln fühlten sich taub an. Mich fröstelte und es war ungemütlich.
Ein junger Mann kam abgehetzt zu dem Förster und fuchtelte mit seinen Armen rum während er redete und sein kalter Atmen stieß aus seinem Mund wie der Dampf einer alten Lok. Der Förster schüttelte den Kopf. Er suchte wohl noch einen schönen Baum, aber die besten waren bereits verkauft. Es lagen nur noch buschige oder krumme Kameraden rum und die wollte keiner.
„Nehmens den“. Der Förster zeigte auf mich. Um Himmels Willen. Bitte nicht, ich wohne hier und will nicht sterben.
Es half nichts. Ich wurde bezahlt, hochgehoben und in ein kleines Autos verfrachtet. Wir fuhren endlos durch holperige Strassen und ich wurde schlimm durchgerüttelt.
Krank wie ich mich fühlte wurde mir jetzt auch noch schlecht.
Irgendwann hatte die Fahrt ein Ende und ich wurde aus dem Auto gehoben und ein enges Treppenhaus hoch getragen. Der Mann war völlig fertig als er mich endlich in eine Ecke eines kleinen Zimmers stellte.
„Du bist ganz ok, wenigstens bist du nicht schief“ begutachtete er mich und drückte meine Zweige nach unten. Er holte einen kleinen Schemel und stellte mich darauf.
„Sehr schön, geschmückt wirst du später. Heut darf nichts schief gehen denn es gibt eine große Überraschung, jetzt noch schnell einkaufen“ sprach’s und weg war er.
Die ganze Aufregung saß mir noch in den Nadeln und es fröstelte mich wieder obwohl es warm war im Zimmer. Ich wurde leicht müde und döste ein.
Helles Licht weckte mich und der junge Mann kam mit einer großen Holzkiste auf mich zu, hinter ihm eine junge Frau. Sie lachte und klatschte in die Hände.
„Der ist wirklich hübsch, genauso einen Baum hätte ich auch gekauft“, strahlte sie und gab dem Mann einen Kuss auf die Wange.
„Wenn er nicht eingeht können wir ihn nach den Feiertagen auf den Balkon stellen.“ Er öffnete die Kiste und nahm eine rot schimmernde Glaskugel raus und hängte sie mir an einen Zweig.
Na so was, was macht der denn? Neugierig sah ich dem seltsamen Treiben zu.
Beide behängten mich weiter mit Glaskugeln, kleinen Holzfiguren, einer goldenen Kette und zum Schluss bekam ich noch einen riesigen Stern auf mein Haupt gesteckt.
Zufrieden schauten mich die beiden an.
„Das ist der schönste Baum den wir je hatten“ freute sich die Frau.
Vorlauter Lob und die Aufregung bekam ich ein gewaltiges Jucken in den Nadeln und nieste was das Zeug hält.
„Oh Gott was war das denn“ rief sie und packte den Mann ängstlich am Arm, „hoffentlich ist kein Tier im Topf, womöglich einen Maus.“
Nana Gnädigste, das würde ich aber merken. Ich habe leider einen Schnupfen, erklärte ich aber sie hörten mich natürlich nicht.
Der Mann begann an mir zu zerren und zu ziehen.
„Da ist nichts, schau er ist ganz sauber und nirgendwo krabbelt es.
Vorsichtig beäugte mich die Frau. Jetzt bloß keinen weiteren Niesanfall sonst schmeißen die mich noch raus.
„Die Kerzen machen wir abends drauf, jetzt gehen wir kochen. Sie räumten die leer geräumte Holzkiste weg und verließen den Raum.
Kaum war die Türe zu kam von allen meinen Seiten ein lautes „Hallo“ „Das du noch dabei bist“ „Lange nicht gesehen“ „Alle Jahre wieder altes Haus“.
„Das war eine Vorstellung vom Feinsten“ wieherte ein kleines Holzschaukelpferd an meinem rechten unteren Zweig. „So einen Ausritt hatte ich schon lange nicht mehr“.
„Wenn sie am Abend die Kerzen anzünden musst du aber aufpassen sonst gibt es einen Zimmerbrand“ meinte ein besorgter Strohstern zu meiner linken.
„Ich bin erkältet, hoffentlich habe ich euch nicht erschreckt.“ Überall blinkte und glitzerte es um mich rum.
„Nicht so schlimm“. Eine rote Glaskugel funkelte mich freundlich an. „Morgen geht’s dir sicher schon besser. Du stehst in einem Topf, vielleicht sehen wir uns nächstes Jahr wieder? Es sei denn sie kaufen sich einen neuen Christbaumschmuck“.
„Viel hat sich nicht verändert seid dem letzten Jahr, alles steht noch an seinem alten Platz“ informierte der prächtige Weihnachtsstern auf meinem Haupt.
„Was ist denn das Weihnachten überhaupt, wie läuft das hier ab?“ fragte ich in die strahlende Menge.
„Wenn es dunkel wird, zünden sie die Kerzen an und singen Weihnachtslieder, sie beschenken und umarmen sich. Wir werden bewundert und nach zwei Wochen wandern wir wieder in die Holzkiste zurück und der Baum verschwindet“ erklärte die goldene Kette die sich anmutig um mich schlängelte.
„Keine Sorge“ beruhigte mich eine andere Glaskugel, „ du hast noch deine Wurzeln und wirst es überleben „ dein Vorgänger wurde glaube ich aus dem Fenster geworfen.“
Mir wurde kalt aber nicht von der Erkältung. Es klang alles gar nicht verlockend und ich dachte an meine Kameraden aus der Försterei die jetzt auch geschmückt und wunderschön aber wurzellos auf ihr trauriges Ende warteten.
„Es ist ein großes Privileg ein Christbaum zu sein. Eigentlich das schönste was einem Nadelbaum passieren kann. Schließlich werdet ihr nur für dieses Fest gezüchtet. Du solltest stolz sein, du bist ein Auserwählter“ belehrte mich der Weihnachtsstern.
„Er muss es wissen, er hat schon viele Weihnachten erleben dürfen, Dienstältester sozusagen“ zwinkerte mir das freche Schaukelpferd zu und wippte fröhlich auf und ab.
Ein Auserwählter, dass klang alles so erhaben und vielleicht sollte ich den Zustand einfach genießen und mich daran erfreuen, dachte ich.
„Die Frau wird bald reinkommen und sich was wünschen. Sie macht das schon drei Weihnachten lang“ sagte der Strohstern „Irgendwie wirkt sie immer trauriger“.
Die anderen nickten zustimmend.
Genau in diesem Moment ging die Türe auf und die Frau kam in den Raum. Sie schloss leise die Türe und kam auf mich zu.
„Ich wünsche mir von ganzen Herzen, dass ich einen Heiratsantrag bekomme, das wäre immer noch mein größtes Geschenk.“ sagte sie leise.
In dem Moment überfiel mich ein heftiger Juckreiz und es schüttelte mich dass die Glaskugeln nur so bimmelten.
Erschrocken wich die Frau zurück.
Bitte verzeih mir, jammerte ich im Stillen, ich bin doch nur erkältet.
Die Frau faltete die Hände und sah auf die Zimmerdecke. „Lieber Gott, lass es ein Zeichen sein“ und verließ eilig das Zimmer.
„Super gemacht, du grüner Tollpatsch“ schimpfte ein dicker Holznikolaus, „jetzt ist sie sicher mit den Nerven fertig und ihr Wunsch wird auch wieder nicht in Erfüllung gehen, was immer sie auch will“ murmelte er in seinen angemalten Bart.
„Es tut mir so leid, ich konnte es nicht zurück halten. Seid ihr noch alle heil?“ erkundigte ich mich besorgt.
„Juppih, dass kam schon einem Galopp gleich“ schrie das Schaukelpferd begeistert.
„Ruhe jetzt, es geht los“ mahnte der Weihnachtsstern.
Der Mann und die Frau hatten sich auch heraus geputzt und begannen die Kerzen an mir anzubringen und anzuzünden. Sie sangen „Oh Tannenbaum“. In diesem Lied ging es um mich.
Danke, das war wirklich nicht nötig, freute ich mich gerührt und nahm mir fest vor nicht mehr zu niesen. Überall flackerte helles Kerzenlicht um mich rum und mir wurde richtig warm um die Nadeln vor lauter Freude.
„Setz dich und mach dein Geschenk auf“. Der Mann überreichte der Frau ein kleines Päckchen. Sie errötete und öffnete ein kleines samtenes Kästchen.
„Oh ein Ring, wie wunderschön“.
„Willst du mich heiraten?“ fragte der Mann und nahm die Hand der Frau.
„Ja ich will dich heiraten, mehr als alles andere auf der Welt“ sagte die Frau überglücklich
und lagen sich in den Armen und ließen sich nicht mehr los.
In diesem Moment schüttelte mich noch einmal ein kleines „Hatschi“ und alle wurden wieder leicht durchgerüttelt.
Der Mann und die Frau sahen mich an und lachten lautstark los.
„Was immer das bedeuten mag, für mich ist er ein Glücksbaum“ strahlte die Frau mit Tränen in den Augen.
„Wir lassen in besser nicht aus den Augen, sonst fackelt er uns noch die Bude ab“ grinste der Mann und nahm seine Liebste wieder in den Arm.
Den restlichen Abend wurde gesungen, weitere Geschenke ausgepackt und als die beiden Verliebten die letzte Kerze ausbliesen war es schon sehr spät.
„Ich komme gleich nach “ sagte die Frau zärtlich und der Mann verließ das Zimmer.
Die Frau setzte sich vor mich hin und lächelte.
„Ein wenig unheimlich bist du mir schon aber ich glaube du hast geholfen, dass es für mich das schönste Weihnachten geworden ist. Ich danke dir.“
Leise ging sie aus dem Raum.
„Ich glaube dass war dein Verdienst, ihr Wunsch ist in Erfüllung gegangen“ meinte der Strohstern, froh dass er nicht abgebrannt war. „So ein Schnupfen hat auch Vorteile“.
„Habe ich dir nicht gesagt, dass es etwas ganz besonderes ist ein Christbaum zu sein?“ fragte mich der Weihnachtsstern.
Ich nickte stolz. So war es und ich atmete tief und erleichtert durch.
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Weihnachtsgeschichten am Kamin 30
Gesammelt von Barbara Mürmann
[Kindle Edition
Barbara Mürmann (Herausgeber)
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Weihnachtsbesuch eines Engels
Über einer Stadt schwebte der Geist der Weihnacht. Die Einkaufstrasse bebte unter der Hektik der Menschen auf der Suche nach den letzten Geschenken. Der Weihnachtsmarkt auf dem Hauptplatz zeigte sich als leuchtender, glitzernder Verführer, winkte in den letzen Zügen mit Zimtgeruch und Glühweinduft. Lädt die Suchenden zum kurzen Verschnaufen ein bevor die Jagd nach dem perfekten Geschenk weiter geht. Die Zeit drängt. Alle wollen nach Hause und den Stress hinter sich lassen. Weihnachten spüren, zur Ruhe kommen
Ein Engel beobachtete aus der kalten Winterluft das irdene Treiben. Aus der Distanz, losgelöst vom Druck des Müssens, Habenwollens und Schmerzes, aber auch der Wärme, Liebe und Freude an die er sich noch erinnern konnte. Ohne Zeit und Raumgefühl, erfüllt mit den Erinnerungen durch seine Familie konnte er sich auf diese Reise begeben. Sein Bedürfnis sich seinen Lieben zu nähern war so stark das er das ziellose Wandern durch die Unendlichkeit nicht mehr länger ertragen konnte. Die Herzen der Menschen waren verhärtet, sie spürten nicht die Botschaften ihrer Verstorbenen die sich ihnen nähern möchten, weil sie getrieben wurden, durch das Alltagsleben wie eine Herde Vieh zur Schlachtbank. Es war den Lichtwesen kaum möglich ihre zarten Hinweise an ihre Lieben zu senden an diese verschlossenen Türen ihrer verarmten Seelen. Er war selbst so gewesen, als er noch als Mann auf Erden lebte, hatte sich nicht öffnen können für die Signale die von irgendwo her kamen, die nicht real genug für ihn waren oder die er nicht sehen konnte. Die Realität seiner Lebensführung ließ es einfach nicht zu.
Aber an Weihnachten war plötzlich alles anders. Er fühlte die Nähe seiner Familie so stark wie nie zuvor. Als würden sich auf Erden alle Herzen öffnen und Einlass gewähren. Als würden alle Menschen aufeinander zugehen und sich umarmen. Die Wärme und den Frieden die sie dabei ausstrahlten, vereinte sich zu einem Bund der Liebe und Vergebung wie ein unsichtbarer Weg auf dem die Engel hinab gleiten konnten direkt zu ihren Lieben.
Er flog leicht wie eine Feder unsichtbar durch die engen Strassen seiner Stadt. Ließ sich mit den Windböen über die Dächer der Häusermassen tragen, vorbei an seiner Schule in der er als Kind fürs Leben lernte, zu dem Bürogebäude an dem er sein Geld verdiente, verweilte kurz an dem Krankenhaus in dem er geboren wurde und in dem er im Kreise seiner Familie starb, so schnell und viel zu jung. Es zog in hin zu seinem geliebten Stadtpark. Die Wiesen waren mit einer leichten Schneedecke zugedeckt, die Bäume wie mit Puderzucker bestäubt, erstarrt durch den harten Frost der gestern Einzug gehalten hatte. Wie sehr er diesen Park geliebt hatte, wie viele Stunden er in seinem irdischen Leben dort verbracht hatte, den ersten Kuss erhalten, Händchenhaltend spazieren ging mit der Frau und späteren Mutter seiner geliebten Tochter. Wie eine Möwe knapp über den Wellen des Meeres glitt er über den zugefrorenen kleinen See der Anlage dahin, zog sich dann hoch in die Kälte des Abendhimmels hin zu dem Glockenläuten des Doms der zur ersten Christmesse einlud.
Der festlich geschmückte Christbaum vor der Kirche ließ ihn innehalten. Dieser herrliche Lichterschein der Tanne erfüllte ihn kurz mit Freuden längst vergangener Gefühle die sich Weihnachten in sein Herz schlichen. Die Liebe zu seinen Zurückgelassenen überwältigte ihn.
Es war das erste Weihnachten für sie ohne ihn.
Seine Frau würde mit der gemeinsamen Tochter, seinem geliebten Enkelkind und seinem Schwiegersohn feiern. Sie würde den Baum das erste Mal ohne ihn schmücken, mit dem gleichen Schmuck den sie zusammen vor Jahren gekauft hatten, den Braten und die Knödel herrichten und die Geschenke um den Christbaum verteilen. Nach der Geschenkverteilung würde sie Punsch und selbstgebackene Plätzchen reichen. So wie sie Weihnachten jedes Jahr feierten, früher zu zweit, dann mit der Tochter und später mit deren Freund und jetzt Mann und Enkelsohn. Würde er den Anblick ertragen können dies alles zu sehen aber nicht dabei sein zu können? Niemanden umarmen dürfen, keine Küsse verteilen, Wangen streicheln. Würden seine Signale ihre Sinne erreichen und ihn bei sich spüren können? m Vorsichtig näherte er sich der Strasse in der er so viele Jahre gelebt hatte. Er glitt durch die kalten Hausmauern, erregt und voller Furcht vor seinen Gefühlen und sah seine Familie im gemütlichen Wohnzimmer Weihnachten feiern, genauso wie er es sich ausgemalt hatte in seiner Hoffnung.
Bewegt und stolz beobachtete er seine Familie und ein kurzes Schmerzgefühl durchzuckte ihn, als er Tränen in den Augen seiner Frau sah und seine Tochter den Arm um die Schultern der Mutter legte und sie liebevoll festhielt. Sein Schwiegersohn packte mit seinem Enkelkind ein Geschenk aus.
Ein tiefer Seufzer durchdrang ihn und die Kerzen auf dem herrlichen Christbaum flackerten leicht und seine Frau sah durch ihn hindurch und lächelte ihn an. Sie spürte seine Anwesenheit, dass fühlte er und sein Drang sie zu umarmen ließ ihn erzittern.
Doch etwas hielt ihn davon ab, forderte ihn auf zurückzukehren, er musste loslassen. Er war schon zu lange hier. Wurde gerufen und er fühlte dass es gut und richtig war. Noch einmal sah er seiner Frau in die Augen und mit diesem Bild der unendlichen Liebe verließ er lautlos den Raum, flog hoch in die heilige Nacht, leicht und schwerelos zurück an Gottes Herz.
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Kinder, was wollt ihr Weihnachten essen?
Familien WhatsApp Gruppe zwei Wochen vor Weihnachten.
(Mama, Tina, Lena, Lorenz)
Mama: Hallo meine Lieben, Papa und ich freuen uns schon auf Weihnachten mit euch. Was wollt ihr denn essen? LG Mama.
Lorenz: Rouladen wie immer oder?????
Tina: Wir wollten doch mal nur Würstel mit Kartoffelsalat machen, dann haben wir nicht so viel dreckiges Geschirr.
Mama: Mir macht das nix.
Lorenz: Wir helfen doch…
Tina: Klar, Bruder, gerade du. Echt Mama, du hast immer die meiste Arbeit.
Mama: Wie gesagt, Papa mag Rouladen auch.
Lena: Hallo, also ich esse dann die Beilagen. Kein Fleisch für mich.
Lorenz: Hi Leni, sind wir auf dem Veganer Trip? Sehr gut, bleibt mir mehr.
Mama: Dann mach ich dir einen Fisch, Lena?
Lena: Nein danke Mama, keine Tierprodukte.
Lorenz: Uih dann auch keine Plätzchen? Ich freue mich, alles meins!
Geschwister WhatsApp Gruppe:
(Lena, Tina, Lorenz)
Lena: Sag mal du Depp, das Gestichel kannst du dir sparen. Du weißt genau, dass ich Laktose Unverträglichkeit habe und schon lange fleischlos esse.
Lorenz: Schwesterherz ich weiß, dass du gerne Intolerant anderen gegenüber bist. Jetzt kommt noch das Aufmerksamkeitssyndrom dazu (Zwinker Smiley).
Tina: Hört auf. Geht es mal bei euch ohne Streiterei? Mama und Papa freuen sich auf uns. Wir lassen alles wie es ist. Tradition ist unseren Eltern wichtig.
Lena: Ich bin die letzte die Stress will. Was schenken wir den Eltern?
Tina: Gute Frage: Gutscheine werden nicht eingelöst und Pralinen und Wein haben langsam ausgedient oder?
Lorenz: Darüber freuen sie sich aber am meisten, auch Tradition.
Lena: Ich hab mal gegoogelt, zwischen den Feiertagen läuft im Kulturhaus eine Aufführung, der Nussknacker, voll süß gemacht. Soll ich Karten für die beiden reservieren?
Tina: Super Idee, danke, den Wein besorge ich und Bruder, du darfst die Pralinen kaufen. Aber bitte nicht an der Tanke wegen Zeitmangel.
Lorenz: Das wollte ich gerade vorschlagen (Smiley mit rausgestreckter Zunge).
Mama und Papa sitzen gemütlich im heimischen Wohnzimmer auf dem Sofa.
„Jetzt werden sie wieder in ihrer Geschwistergruppe rumstreiten“, Mama seufzt.
„Ich weiß schon, warum ich kein Handy habe“ Papa streicht sich wohlig über seinen Bauch.
„Früher musste ich die Kämpfe über das Telefon austragen, heute muss ich tippen und du machst es dir wieder einfach“ Mama seufzt nochmal.
„ Es war doch immer ein schönes Fest bei uns, Technik hin oder her. Weihnachten haben wir es immer hingekriegt einen schönen Heiligen Abend zu verbringen. Mit Rouladen, Wein, Pralinen und Geld für die Gören“ Papa legt den Arm um Mama und drückt sie.
Mama lächelt und seufzt zufrieden.
Das Handy leuchtet.
„Aha, sie haben sich ausgezankt.“ Mama ruft die Familiengruppe auf.
Tina: Alles klar, Rouladen, Beilagen für Lena, alles zusammen für Lorenz.
Mama: Schön, das freut uns. Den Baum schmücken wir wieder zusammen.
Lorenz: Wie jedes Jahr, freu mich.
Lena: Danke Mama, wir helfen zusammen. Grüße an Papa.
Mama: Ja auch Grüße von ihm. Der Baum ist diesmal besonders schön.
Tina: Wir kommen dann so um 16.00. Servus Bussi (Küsschen Smiley).
Lorenz: Daumen nach oben .
Lena: Freu mich! (Herzchen).
Mama steht in der Küche beim Abspülen und denkt: Ich weiß, dass meine Kinder viele Geheimnisse und Sorgen haben, trotzdem nehmen sie sich die Zeit und feiern immer noch gerne Weihnachten mit uns zusammen. Bestimmt werden sie irgendwann über alles reden wollen, ich bin für sie da auch wenn wir uns nicht mehr so oft sehen.
Papa sitzt vorm Fernseher und denkt: Ich weiß, dass meine Frau sich Sorgen um die Kinder macht, aber sie gehen ihren Weg. Wenn sie reden wollen, kommen sie nach Hause. Die drei sind starke Persönlichkeiten, sie sind mutig und ich bin stolz auf sie.
Tina joggt im Stadtpark und denkt: Wenn das mit Anne weiterhin so gut läuft, stell ich sie nächstes Jahr meiner Familie vor und vielleicht feiert sie Weihnachten dann mit uns zusammen. Ich bin endlich nach so vielen Enttäuschungen glücklich. Lena mag sie auch und Anne und ich helfen Lena so gut wir können.
Lena mixt sich einen Smoothie in ihrer kleinen Küche und denkt: Durch die Ernährungsumstellung werde ich meine Krankheit besser in den Griff bekommen. Wenn ich damit klar komme, werden es die anderen auch können. Ich bin sehr zuversichtlich. Wenn meine Eltern mich sehen, muss ich ihnen die Wahrheit sagen, aber wir stehen das durch. Es sieht gut aus für mich.
Lorenz arbeitet spät Abend am Laptop und denkt: Ich muss halt immer blöd daherreden. Ich liebe meine Familie. Mama die immer zu hört, Papa der immer mitdenkt. Tina und ihre „neue“ Freundin, ich weiß doch, dass die beiden ein Paar sind. Lena mit ihrer „neuen Frisur“, ich weiß doch, dass es eine Perücke ist. Wir sollten reden, wenn wir uns Weihnachten sehen. Dann werde ich ihnen sagen, dass ich immer für sie alle da bin. Der zynische, kontaktscheue computersüchtige Nerd kriegt mehr mit als ihr alle denkt. Die Pralinen habe ich in einem Kurs selber gemacht. Da werden sie alle staunen. Lachendes Smiley.
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Der Weihnachtsgewinn
„Bin gleich wieder da Schatz, ich hol nur schnell die Fernsehzeitung und wünsche den Lehmanns schöne Feiertage“. Ich winkte meinem Mann in der Küche zu, der schon den Lachs für heute Abend zubereitete. Ich schnappte mir meinen Mantel und die Hundeleine und schnalzte unserer Mischlingshündin Lara zu. Sie lief schwanzwedelnd vor mir ins Treppenhaus und wir verließen gemeinsam das Haus.
Ich liebte diese Stimmung. Es war Heiliger Abend, früher Nachmittag und es war alles erledigt. Wohnung geputzt, der Baum geschmückt. Mein Mann und ich würden mit Lara einen gemütlichen Weihnachtsabend und ruhige Feiertage verbringen. Vielleicht ein paar Freunde treffen, aber sonst hatten wir Urlaub und nichts vor bis Sylvester.
Es hatte etwas geschneit und es lag ein wunderbarer Zauber in der Luft.
Ich wollte noch schnell in das kleine Schreibwarengeschäft gehen und ein wenig mit dem alten Ehepaar Lehmann plaudern. Die beiden standen seit Jahrzenten in ihrem kleinen Laden und waren mittlerweile Treffpunkt für jung und alt in unserem Viertel. Eigentlich eine Rarität heutzutage.
Ich befahl Lara schön brav draußen zu warten und drückte die kleine Ladentüre auf. Mich umfing gleich der bekannte Geruch nach Papier, Süßigkeiten und Zimtaroma.
„Grüße sie Frau Beck, schön dass sie noch vorbei kommen.“ freute sich Frau Lehmann und strahlte mich an. Sie war eine kleine rundliche Frau mit grauen Haaren, Brille und einem herzlichen Lächeln im faltigen Gesicht. Ihr Mann saß hinter der Theke auf einen Stuhl. Hr. Lehmann war dünn, groß und sein krummer Rücken machte ihm ständig zu schaffen und er wurde immer mehr dement. Eine große Hilfe war er seiner Frau schon lange nicht mehr und er sprach auch kaum mehr ein Wort. Es war einfach nur traurig.
Zwei alte Menschen die schon längst im Ruhestand sein sollten, es sich aber nicht leisten konnten obwohl sie mehr als vierzig Jahre geschuftet hatten, ging mir durch den Kopf. Mein Mann und ich, alle in der Umgebung wussten, dass die beiden von ihrer kleinen Rente nicht leben konnten und deshalb das Geschäft nicht aufgaben. Ich hatte die beiden schon lange in mein Herz geschlossen.
Ich lächelte zurück: „Ich wünsche ihnen beiden wunderbare Weihnachten und hoffentlich geruhsame Feiertage“ sagte ich fröhlich. Frau Lehmann drückte mir schon meine Fernsehzeitung in die Hand. „Das wünschen wir ihnen auch und genießen sie ihre Feiertage, gell Klaus?“ rief die alte Dame ihrem Mann zu. Der nickte und winkte zu mir rüber. Ich zahlte meine Zeitung und da sah ich eine kleine Lostrommel auf dem Tresen stehen. Ein paar Lose waren noch drin. „Ich nehm mir noch eins, vielleicht ist ja noch eine Weihnachtsüberraschung drin.“ Ich zog ein Los raus.“Ich mache es heute unter dem Christbaum auf, dann hab ich noch ein Geschenk auf was ich mich freuen kann“. Ich wollte zahlen, aber Frau Lehmann legte ihre kleine Hand auf meine. „Das ist mein Geschenk für ihre Treue alle die Jahre und viel Glück“. Sie freute sich so, dass ich dankend annahm. Wir umarmten uns noch und ich verließ mit vielen Winken den kleinen Laden.
Schnell liefen Lara und ich nach Hause und dann wurde es doch noch etwas hektisch mit Kochen, Umziehen und Kerzen anzünden. Nach einem wunderbaren Mahl setzten wir uns zum Christbaum und bescherten uns. Ralf und ich schenkten uns nur Kleinigkeiten und Lara bekam einen herrlichen Beißknochen. Plötzlich fiel mir das Los ein. Ich lief in die Garderobe und zog es aus der Manteltasche.
Das hat mir Frau Lehmann heute geschenkt. Sie sah so glücklich aus, dass ich nicht nein sagen konnte.“ erzählte ich Ralf. „Dann mach es auf, deine Niete“ lachte er. Ich riss es auf und starrte auf den Beleg.
Ich hatte 5.000 Euro gewonnen. „Das gibt es doch nicht“, sagte ich völlig baff. Mir wurde heiß und kalt und ich fühlte mich plötzlich furchtbar. Ralf und ich waren gesegnet. Wir hatten beide unsere Berufe, immer gespart, eigene Wohnung, was auf der hohen Kante und geerbt. Es ging uns mehr als gut.
„Jetzt hast du ein schlechtes Gewissen weil gerade du so viel Geld gewonnen hast und nicht irgendein armes Geschöpf, stimmt‘s mein Schatz?“ Mein Mann verstand mich natürlich sofort.
„Ja und ich werde den Gewinn auch nicht behalten. Ich weiß auch schon wem ich es gebe“ sagte ich bestimmt. „Dann lass uns doch noch einen kleinen Spaziergang machen?“ grinste mein Mann und ich gab ihm einen dicken Kuss. Wir waren halt doch vom selben Stern.
Zusammen mit Lara stapften wir durch die stille Winternacht und liefen direkt zum kleinen Schreibladen der Lehmanns. Dahinter wohnte das alte Ehepaar in einer kleinen Einliegerwohnung. Es brannte Licht. Ich nahm das goldene Kuvert, in welchem das Glückslos lag und legte es auf die Fußmatte und klingelte. Wir rannten Hand in Hand nach Hause, Lara tollte vor uns her und wir freuten uns wie kleine Kinder.
Wir wussten natürlich, dass die Lehmanns das Geschenk bestimmt nicht annehmen würden.
Wir waren vorbereitet. Am nächsten Vormittag des ersten Weihnachtsfeiertages klingelte es bei uns und ich sah im Spion die beiden alten Leute stehen. Ich öffnete und musste einfach lachen. „Bitte kommen sie rein, wir haben sie schon erwartet“ überfiel ich die beiden und ich führte sie ins Wohnzimmer zum gedeckten Tisch. Mein Mann begrüßte sie herzlich und wir setzten uns alle an den Esstisch.
Frau Lehmann hielt zitternd das Glücklos in der Hand.
„Bitte lassen sie mich was sagen“ fing ich gleich an, mein Herz klopfte aufgeregt.“ Sie kommen um das Los zurück zu geben. Sie werden sagen, dass es mein Gewinn ist und es ist ihnen unangenehm und peinlich, aber lassen sie mich ausreden. Wir haben sofort entschieden, dass niemand anderer als sie beide den Gewinn verdient haben, auch wenn sie mir das Los nicht geschenkt hätten, hätte ich mich so entschieden. Wir wissen, dass sie noch nie im Urlaub waren, krank im Laden stehen, täglich Schmerzen haben und auf vieles verzichten. Sie beide haben all die Jahre so viel entbehrt und waren trotzdem tagtäglich freundlich, hilfsbereit und großzügig zu uns allen und es ist uns ein Herzenswunsch ihnen das Los zu überreichen. Bitte nehmen sie es an, machen sie uns bitte die Freude. Es ist doch Weihnachten“.
Frau Lehmann stand auf und kam zu mir. „ Du gutes Kind“, sagte die alte Dame und streichelte mir die Wange. „Was sollen wir sagen, uns fehlen die Worte. Wir können nur danke sagen und werden dieses mehr als großzügige Weihnachtsgeschenk sinnvoll einsetzen, nicht war Klaus? Wir kaufen dir als erstes einen bequemen Fernsehsessel“. Hr. Lehmann nickte eifrig, er hatte sicher nicht alles verstanden aber ihm liefen die Tränen über die eingefallenen Wangen und er sagte plötzlich leise „Danke“.
Ich lief zu ihm und drückte ihn ganz fest an mich.
Wir verbrachten einen wunderbaren Feiertag mit den beiden und ich fühlte eine unendliche Freude in mir, denn jemanden etwas schenken ist das größte Glück besonders zur Weihnachtszeit.
Ich hatte wirklich das große Los gezogen.
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Kling Glöckchen Tschilp Tschilp Tschilp
Helle Aufregung in der Familie am Weihnachtstag. Mama und Papa begrüßten gerade Oma und Opa die zum Feste kamen, als die fünfjährige Luna ihrem Kanarienvogel Tschilp noch schnell eine Apfelspalte in den Käfig legen wollte. Tschilp huschte durch die offene Käfigtüre an ihren kleinen Händen vorbei und flog Richtung Fenster, welches gerade noch zum Lüften geöffnet war.
Luna schrie wie am Spieß und rannte in den Flur und die ganze Familie war plötzlich hysterisch.
Alle redeten aufgeregt durcheinander bis langsam klar wurde was genau passiert war. Luna stand zitternd zwischen den Erwachsenen, in ihrem blauem Samtkleid, den Lackschuhen und den blonden Zöpfchen und heulte wie ein Schlosshund.
Papa: Mensch Luna, ich hab dir schon so oft gesagt, mach den Käfig nicht alleine auf. Dann ist auch noch das Fenster offen. Herrgott noch mal und das am Heiligen Abend.
Opa: Nana, jetzt setzen wir uns erst mal alle zum Christbaum und beruhigen uns. Tschilp wird es sicher draußen zu kalt werden und er kommt von alleine wieder zurück.
Oma: Luna, meine Süße, vielleicht ist Tschilp gar nicht rausgeflogen, wir suchen in Ruhe nach ihm aber jetzt kommt doch bald das Christkind.
Mama: Luna, beruhige dich. Wir setzen uns jetzt erst mal alle hin und dann überlegen wir, wo Tschilp sich versteckt haben könnte.
Die Erwachsenen warfen sich über Lunas Kopf verzweifelte Blicke zu.
Ausgerechnet zu Weihnachten flog der Kanarie weg.
Vielleicht ist er doch nicht aus dem Fenster raus, Luna war ja vorher schon in den Flur gerannt. Das arme Kind, ob die Geschenke sie jetzt noch trösten können?
Sie liebt Tschilp doch so sehr.
Wir suchen ihn, am besten gleich, es nutzt nichts, alles andere muss warten.
Auch das Christkind.
Kein Tschilp in der Küche, im Wohnzimmer, auf dem Balkon, nirgends, er konnte weiß Gott wo sein. Entweder entflogen und jämmerlich erfrierend oder verschreckt hinter der Schrankwand. Himmel nochmal.
Danach begab sich die Familie geknickt an den festlichen Esstisch. Daneben stand der Christbaum herrlich geschmückt und wartete auf seinen großen Auftritt.
Mama tischte das feine Essen auf und jeder tat so als ob es ihm schmeckte. Mittendrin Luna mit tränenverschmierten Wangen und leisen Schluchzern. Die Oma und Mama räumten den Tisch ab und brachten Plätzchen und Getränke. Jetzt sollte doch das Christkind kommen.
Ich will keine Geschenke, ich will Tschilp wieder haben, jammerte Luna.
Komm geh jetzt in die Küche, das Christkind will jetzt kommen und es hat heut viel zu tun,
sagte der Papa.
Luna wartete in der Küche mit gesengtem Kopf. Sie war untröstlich. Plötzlich wollte sie überhaupt nichts mehr. Es war alles ihre Schuld.Dann bimmelte das Glöckchen. Luna trottete zurück ins Wohnzimmer. Da lagen die vielen Geschenke, der Christbaum leuchtete wunderbar und Lunas kleines Herz zog sich zusammen.
Die Familie wollte tapfer „Kling Glöckchen“ singen so wie jedes Jahr. Sie begannen etwas holperig, aber was war das? Ein zartes Zwitschern aus dem Christbaum, ganz leise, aber alle hatten es gehört, mischte sich in ihren Gesang.
Tschilp, schrie Luna voller Freude.
Die Familie schaute durch die strahlende Lichterkette, die leuchtenden Glaskugeln, ganz hinten im dicken Grün der Tanne saß Tschilp und äugte frech heraus. Der hatte sich die ganze Zeit still gehalten der kleine Piepmatz. Hielt wohl ein Nickerchen im duftenden Tann.
Papa griff sich sanft das kleine Vögelchen und streichelte ihm das gelbe Köpfchen. Schnell wurde Tschilp in seinen Käfig gebracht und er ließ sich gleich die Apfelspalte von Luna schmecken.
Die Oma streichelte die Wangen ihrer Enkelin.
Gell Luna, meistens ist das was wir bereits haben viel wertvoller, als dass, was wir noch bekommen werden.
Da war sie wieder, die wonnige Weihnachtsfreude in Lunas Augen und ihre Familie und sie konnten jetzt glücklich und erleichtert ihren Heiligen Abend feiern.
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Familienweihnachtswünsche
„Alle mal herhören“ Ich ging ins Wohnzimmer wo mein Mann Martin, unsere vierzehnjährige Tochter Lisa und unser siebzehnjähriger Sohn Jonas auf dem Sofa lümmelten und in ihre Smartphones starrten.
„Morgen ist heiliger Abend und ich habe noch ein Anliegen. Nach der Bescherung möchte ich, dass wir uns gemütlich an den Tisch setzen und jeder überlegt sich noch einen Wunsch den er sich von der Familie wünscht. Ich hab mir ja schon eben was gewünscht“. Ich lächelte tapfer. Mein Mann grinste mich an, Lisa verdrehte ihre schwarz umrahmten Augen und Jonas schaute erst gar nicht auf.
„Also überlegt euch was und ich freue mich übrigens auf Weihnachten“ fügte ich noch hinzu, falls es noch keinem aufgefallen war und das es für morgen noch eine Menge zu tun gab.
Später im Schlafzimmer zog Martin mich zu sich und küsste mich auf die Stirn. „ Wir helfen morgen alle zusammen und lass es einfach laufen, wir kriegen schon einen Heiligen Abend als Familie hin. Jetzt muss ich mir noch überlegen was ich mir wünsche“ überlegte er.
„Ich möchte damit erreichen, dass die Gören nach der Bescherung nicht gleich wieder abhauen.“ gähnte ich müde. Wir küssten uns und machten das Licht aus.
Am Weihnachtstag stellten Martin und ich den Christbaum auf, Lisa schmückte ihn und Jonas half mir beim Kartoffelsalat zum Fisch, so war der Plan und es lief auch erstaunlich harmonisch und friedlich ab.
Später nach dem Essen gab‘s die Geschenke unter dem herrlichen Christbaum und dann setzten wir uns alle mit unserem Punsch und Plätzchen an den Esstisch. Ich zündete noch eine hübsche goldene Kerze an.
„So, jetzt mal her mit den Familienwünschen. Lisa du fängst an“ strahlte ich meine pubertierende Tochter ermutigend an. Sie hatte zur Feier des Tages schwarzen Lippenstift aufgetragen und schaute mich missmutig an.
Da sie ihre teuren Reitstunden geschenkt bekam riss sich zumindest etwas zusammen. Sie konnte wirklich fürchterliche Laune haben und war oft wie ein Stockfisch.
„Ich wünsche mir, dass wir mehr vegetarisch essen. Ich kann das Tierleid nicht mehr ertragen. Papa und du, ihr kommt immer strahlend mit eurem Billigfleisch heim, wie Schnäppchenjäger, Aber das ein Tier qualvoll gelitten hat, das seht ihr nicht“. In ihren Augen schwammen Tränen.
Mit sowas hatte ich nun gar nicht gerechnet. Es stimmte schon, Martin und ich kauften gerne Sonderangebote und machten uns wenig Gedanken woher das Fleisch kam.
„Du hast Recht mein Schatz“, ich griff nach ihrer kleinen Hand mit den abgekauten schwarz lackierten Fingernägeln. „ Wir sollten wirklich etwas „anständiger“ essen.
Und es muss auch nicht jeden Tag Wurst oder Fleisch auf den Tisch. Das schadet uns allen nicht“.
Jonas verdrehte die Augen aber er hielt sich zurück.
„Hier gibt es doch diesen Biohof im nächsten Dorf, wir könnten da mal hinfahren. Vielleicht wäre das ein guter Anfang?“ Mein Mann zwinkerte Lisa zu und schenkte ihr einen Luftkuss.
Lisa nickte und ich schämte mich etwas. Martin und ich hielten zwar nicht viel von der Bioverarsche aber ich fand es schön, dass unsere Tochter ein gutes Herz hat und sich Gedanken machte. Auch eine Gelegenheit wieder mehr zusammen zu machen, hoffte ich.
„Jetzt du Papa“ sagte Lisa.
„Mehr Sex“ grinste unser Sohn frech.
„Jonas“ rief ich entsetzt und wurde knallrot.
„Keine Sorge“ lachte mein Mann, „bin zufrieden“.
Martin und ich kannten uns seit 25 Jahren und wir waren stolz, dass wir durch alle Höhen und Tiefen eines Ehelebens geschlittert waren ohne auszurutschen. Ich liebte meine Mann sehr und er mich.
Die Kinder waren unser größtes Glück, auch wenn sie uns oft an dem Rande der Verzweiflung brachten. Er schaute streng in die Runde.
„Also, ich wünsche mir, dass wir es zumindest einmal am Wochenende hinkriegen zusammen zu frühstücken, gerne auch Brunchen mit vegetarischen Aufstrichen. Damit das halbwegs funktioniert erstelle ich eine Familien-Brunch-Whatsapp-Gruppe. Ich erinnere dann mit Termin. 11.00 Uhr ist eine faire Zeit, dass solltet ihr doch hinkriegen“.
Es war ein ewiges Thema bei uns. Ich wusste, dass Martin großen Wert auf gemeinsame Mahlzeiten legte. Die Kinder kriegten ihre Hintern nicht aus den Betten, kamen irgendwann mittags runter in die Küche und verschwanden wieder mit einem Brot in der Hand. Unter der Woche klappte es auch nur bedingt, jeder stopfte sich irgendwas rein. Ich hatte oft Schicht im Krankenhaus und Martin kam spät aus dem Büro. Es war ziemlich jämmerlich bei uns und der Kühlschrank war auch noch bis oben hin voll mit unglücklichem Fleisch und Wurst.
„Sehr gute Idee“ sagte ich bestimmt. Die Gören nickten gnädig. Ich war froh, dass Martin seinen Wunsch gleich technisch geschickt verpackt hatte. Unsere Kinder schauten ständig auf ihre Handys, da gibt’s dann keine Ausreden. Ein Versuch war es wert.
Alle sahen wir zu Jonas. Unser Sohn war ein typischer Wohlstandsjüngling, frech, lässig und er war eigentlich auch ein passabler Schüler. Viel wussten wir nicht mehr über ihn aber er kam jeden Abend zum Schlafen nach Hause.
„Ich wünsche mir, dass Leon eine Zeit bei uns hausen kann. Ihr kennt ja seine Eltern, die vollen Freaks. Ich ziehe auch gerne in den Keller, aber Leo muss raus, sonst geht er drauf. Muss ja nicht für lange sein.“
Wir kannten das Familiendrama bei Jonas bestem Freund. Der Vater Alkoholiker, die Mutter hilflos, ständige Streitereien und Gleichgültigkeit dem Kind gegenüber. Leon war eigentlich seit er ein Kindergartenkind war mehr bei uns als bei sich zu Hause. Der Junge war ok, er war ein guter Schüler und wir hatten auch nichts gegen ihn. Aber gleich bei uns einziehen?
Trotzdem überraschte mich auch mein Sohn. Er würde sogar sein Zimmer räumen um seinem Freund zu helfen. Mein Mutterherz begann überzulaufen. Martin schaute zu mir und verstand mich auch ohne Worte.
„ Wir müssen das natürlich noch besprechen auch mit Leons Eltern. Dann können wir es ausprobieren. Aber er muss im Haushalt helfen und unsere Regeln einhalten. Wenn es nicht klappt, muss er wieder ausziehen.“ sagte Martin und ich nickte zustimmend.
„Du musst ihn dann auch in die Whatsapp-Gruppe mit aufnehmen, Papa. Das Aufstehen gilt dann auch für ihn“. Lisa freute sich. Sie hatte schon immer eine Schwäche für den Freund ihres Bruders.
Wir sahen uns alle an. Wir hatten es wirklich geschafft eine Weile gemeinsam am Tisch zu sitzen und jeder hatte ein Anliegen das ihm auf dem Herzen lag ausgesprochen. Ich war stolz und glücklich, für mich ein gelungener Weihnachtsabend.
„Jetzt hab ich doch auch noch einen Wunsch. Ich würde gerne Mensch-Ärgere-Dich-nicht“ spielen. Einfach so, weil es gerade so schön gemütlich ist mit euch“ lachte ich ohne es ernst zu meinen. Ich hatte einfach gute Laune.
„Oh ja, das wird sicher lustig, Papa verliert ja immer so ungern“. Lisa rannte freudig in den Keller, um das verwaiste Gesellschaftspiel zu suchen.
„Ich hol noch Plätzchen. Halleluja“. Jonas war schon Richtung Küche unterwegs.
„Genieß es einfach mein Schatz“, Martin drückte mir die Hand. „ Die beiden können sich ruhig auch mal von ihren netten Seite zeigen. Das war eine super Idee von dir. Ob wir gleich alles umsetzen können an Wünschen wird sich zeigen aber ich bin wirklich überrascht über unsere Kinder. Sie haben gute Seelen und denken auch an andere.“
Ich nickte gerührt, küsste ihn und blieb ganz entspannt auf meinen Stuhl sitzen und genoss unseren Heiligen Familienabend.
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Weihnachtsgeschichten am Kamin 32
Gesammelt von Barbara Mürmann
[Kindle Edition
Barbara Mürmann (Herausgeber)
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Weihnachtsglück für sechzehn Pfoten
Ein eisiger Wind fuhr mir durch meine braunen langen Strähnen. Es war über Nacht bitterkalt geworden. Der Schnee fiel ohne Pause auf die einsame Strasse auf der ich entlang trottete. Schnell konnte ich nicht laufen, ich war hochschwanger und musste schleunigst eine Unterkunft finden. Meine Babys in meinen Bauch zappelten und ich musste kurz stehen bleiben und durchatmen.
Wie konnte das nur passieren? Mir, einer ausgewachsenen intelligenten Hündin mit schönem Fell und großen Augen, gewitzt und gescheit? Ich bewachte einen großen Hof, war zuverlässig und hörte aufs Wort. Die Menschen dort waren gleichgültig mir gegenüber aber ich bekam regelmäßig Futter und durfte mich den ganzen Tag frei bewegen. Nur zum Arzt brachten sie mich nicht und so kam ich eben in die fruchtbaren Jahre und fühlte mich plötzlich seltsam allein.
Auf den erstbesten Rumtreiber bin ich reingefallen, kastriert war er, so seine Aussage. Umgarnte mich und versprach mir „den vollen Napf“ auf ewig. Ich war verliebt und es kam wie es kommen musste. Kaum hatte das junge Glück zwischen uns begonnen war es auch schon wieder vorbei und er machte sich aus dem Staub. Die erste Zeit fühlte ich gar nichts, dann wusste ich, dass neues Leben in mir wuchs und ich freute mich wie wild. Tollte durch den Hof und jaulte was das Zeug hielt. Wurde langsam dicker und träger. Ich vertraute meinem Umfeld und sah mich in Gedanken mit meinen Kindern den Hof gemeinsam bewachen.
Meine Menschen aber sahen meiner seltsamen Veränderung nicht lange zu, ich wurde vom Hof verjagt und mit Steinen beschmissen. Ich verstand nicht was los war, kam zurück und wurde wieder verjagt. Traurig nahm ich Abschied von meiner alten Heimat und trottete einer ungewissen Zukunft entgegen.
Die vergangenen Tage waren hart, ich schlief in feuchten Gräben und fraß tot gefahrene Igel von der Straße, trank Wasser aus dreckigen vereisten Tümpeln. Die Kälte wurde immer schlimmer und eines Morgens lag der erste Schnee auf den trostlosen Feldern.
Langsam musste ich mir was einfallen lassen, mein Zustand verschlimmerte sich stündlich, meine Babys wollten auf die Welt, aber wollte die Welt meine Jungen und mich?
Die Straße zweigte in zwei Richtungen und mein Instinkt befahl mir nach links zu gehen. Ich lief entlang und kam durch einen dichten Wald. Der Schnee hing schwer und nass in den Tannen und es wurde dunkel.
Ich zwinkerte die weißen Flocken von meinen Augen und meinte in der Ferne ein Licht zu sehen. Es war keine Einbildung. Am Ende der Strasse stand ein Haus mit hell erleuchteten Fenstern. Das war meine Chance, ich durfte keine Zeit verlieren. Schnell lief ich auf das Gebäude zu. Zu meiner Freude stand hinter dem Haus eine große, schöne Scheune. Ich horchte und schlich mich langsam auf den sauberen Hof, in der Hoffnung irgendwie in die Scheune hinein zu gelangen. Ich staunte nicht schlecht, das Scheunentor war leicht geöffnet.
Vorsichtig schielte ich in das dunkle Gebäude hinein. Da lag viel helles Stroh und in einer Ecke stand ein großes schwarzes Pferd das mich staunend anschaute.
„Was willst du hier?“ fragte es mich mit tiefer Stimme.
„Ich brauche einen Schlafplatz für die Nacht, ich kann nicht mehr laufen“ hechelte ich und schob meinen Bauch etwas nach vorne.
„Ich sehe schon du bekommst Junge. Leg dich zu mir, hier ist frisches Heu.“ Das Pferd nickte mit dem Kopf und ich ging zu ihm. Erschöpft ließ ich mich nieder und wedelte dankbar mit dem Schwanz.
„Ich wurde von meinen Besitzern verjagt, sie wollten meinen Zustand nicht. Ich habe nichts mehr außer meinen Kindern, wenn sie gesund auf die Welt kommen“
„Soso das sagen sie alle wenn sie im Dreck sitzen“ schnurrte ein dicker roter Kater der plötzlich um die Ecke kam. Seine goldenen Augen funkelten mich strafend an. Er wusste dass ich ihm in meinem Zustand nicht gefährlich werden konnte, deshalb wohl seine freche Klappe.
„Lass sie“ wieherte das Pferd, „ sie hat viel durchgemacht“.
„Du hast recht“ sagte ich zu dem Kater der sich auf das Stroh zu uns legte. „Ich war naiv und wollte etwas für mich haben, das aber andere nicht wollen. Jetzt sitze ich ohne Herr und Hof da mit Kindern denen ich kein Heim bieten kann.“
„ Unser Herr hat dafür gesorgt dass ich keine Frau mehr in Schwierigkeiten bringen kann“ miaute der Kater. „Wer weiß für was es gut war“ grinste er neckisch unter seinen weißen Schnurhaaren.
„Hier ist alles so sauber und ordentlich, ein schönes Zuhause habt ihr hier“. Ich schaute mich staunend um.
„Der Hausherr ist sehr ordentlich und reinigt meine Box jeden Tag, wir haben wirklich Glück“ schnaubte das Pferd zufrieden.
Der Kater nickte und räkelte sich, dann begann er sich seine Pfoten zu lecken.
Plötzlich bekam ich heftige Bauchschmerzen, mein Laib drohte zu platzen. Ich jaulte auf und ergab mich dem ersten Krampf. „Es geht los, ich bekomme meine Babys“ jammerte ich.
„Du musst tief atmen und ruhig bleiben“, beruhigte mich das liebe Pferd.
„Pressen“ maunzte der Kater und machte einen kleinen Buckel.
Wer hätte das noch vor ein paar Tagen gedacht, da lag ich nun in einer Scheune und hatte zwei neue Freunde um mich rum, die mir halfen meine Kinder zu gebären und nach vielen Schmerzen, Krämpfen und aufmunternden Worten kamen auf einmal ein kleiner Zwerg nach dem anderen zur Welt.
Ich konnte mein Glück kaum fassen, drei süße und gesunde Babys lagen feucht und verschwitzt an meinem Bauch. Ihre kleinen Augen waren verklebt aber die tapsigen Pfötchen kamen schon in Bewegung und ich leckte ihnen vorsichtig das Fell sauber. Sie hatten alle ein braunes Fell wie ich, nur der kleinste hatte noch einen weißen Fleck auf der Brust. Sie sahen alle mir ähnlich und nicht ihrem Erzeuger, dachte ich erleichtert.
„Das hast du gut hinbekommen“ freute sich das Pferd und wieherte freudig.
Der rote Kater schnurrte begeistert.
Meine kleinen Racker quetschten sich auch gleich an mich und jeder schnappte sich eine Zitze. Ich war das perfekte Mutterglück.
Plötzlich wehte ein Windstoss die Scheunentür weit auf und ein Mann mit einem kleinen Mädchen an der Hand kam direkt auf uns zu. Der Mann hatte eine Laterne in der Hand und strahlte uns allen mitten ins Gesicht.
Sein Blick blieb starr und völlig ungläubig an mir und meiner Familie hängen.
„Papa schau doch, ein Hund mit lauter kleinen Babys. Ist das mein Weihnachtsgeschenk?“ Das kleine Mädchen lachte freudig und klatschte in die kleinen Hände. „Eigentlich nicht“, sagte der Mann leise „aber eine Überraschung ist das wirklich, eine gelungene würde ich sagen“.
Die große Hand des Mannes kam auf mich zu und ich duckte mich aus Angst, dass Schläge folgen würden. Aber was war das?
Er streichelte mir zart über meinen Kopf und dann nahm er vorsichtig Baby mit Fleck in seine großen Hände. „Das sind wirklich Weihnachtsgeschenke auf vier Pfoten“. Sachte legte er mein Kind zu mir zurück, „Weißt du Papa, ich habe letzte Woche dem Christkind geschrieben dass ich wieder einen Hund haben möchte, jetzt wo der Bello tot ist. Meinst du nicht wir könnten sie alle behalten, weil das Christkind uns doch jetzt gleich so viele Hunde geschenkt hat?“ Das Mädchen zupfte aufgeregt an der Jacke des Mannes.
Der Mann ging in die Hocke und sah uns alle lange an. Der rote Kater strich am Arm seines Herren entlang und schnurrte. Das Pferd schnaubte leise.
Sie wollten mir helfen, meine guten Freunde.
„Nun ich denke die Hündin für mich und ein kleines Hundebaby für dich, die anderen zwei kriegen wir bei Onkel und Tante unter, da geht es ihnen gut und sie können sich regelmäßig sehen“ Der Mann streichelte seiner glücklichen Tochter über das Haar.
„Jetzt lass uns Futter holen für alle und dann danken wir dem Christkind für dieses schöne Geschenk, die Mama wird uns das gar nicht glauben, sie vermisst uns sicher schon. Komm lass uns gehen, sie sind sicher alle sehr hungrig. Und den Christbaum willst du doch auch endlich sehen oder?“ Das Mädchen lächelte freudestrahlend ihrem Vater zu.
Sie gingen beide leise aus der Scheune.
„Du bist wirklich ein Glückshund, soviel Dusel muss man haben“ schnurrte der Kater. „Willkommen bei uns“ freute sich das Pferd und stampfte mit den Hufen auf.
Ich konnte nur ungläubig nicken und schaute glücklich auf meine Kinder. Wir wurden verstoßen und wieder aufgenommen. Wir hatten alle in einer Nacht Freunde und ein neues Zuhause gefunden.
Das alles in nur einer Nacht. Eine besondere Nacht, nahm ich an.
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Lux und der Weihnachtswolf
Seit ich in der Stadt studierte, besuchte ich meine Familie regelmäßig alle paar Monate und natürlich zu den Feiertagen. Weihnachten wurde bei uns auf dem Bauernhof richtig traditionell gefeiert. Papa holte den Baum aus dem Wald, wir kochten die Tage richtig auf und sangen nach der Bescherung Weihnachtslieder. So der Plan, aber dieses Mal kam eine kleine tierische Weihnachtsüberraschung dazwischen.
Als ich am 24.12. Nachmittags zu Hause ankam, war alles dick verschneit und der heiße Kakao stand schon für mich bereit. Mama und Oma hatten Streuselkuchen gebacken und wir saßen am Esstisch und freuten uns auf die Feiertage. „Ganz schmal ist sie in der Stadt geworden“ begutachtete mich die Oma. Ich sah’s als Kompliment für meine Figur und drückte ihre faltige Hand. Der Christbaum stand schon wunderbar geschmückt im Wohnzimmer und wartete auf seinen großen Abend.
Besonders freute ich mich auch immer auf Lux, unsere Promenadenmischung. Er war eine Kreuzung zwischen Schäferhund und Labrador und er war der ängstlichste Hund auf dem Planeten. Lux wollte nicht draußen schlafen, lag am liebsten mit im Bett oder darunter. Er meldete keine Besucher an, sondern schwänzelte freudig wenn ein Fremder den Hof betrat. „Wenn der Einbrecher kommt, sind wir alle verloren“ Papa hatte Lux bereits aufgegeben, er taugte auch nicht als Jagdhund.
Er war mein Schmusebub. Ich liebte ihn über alles. Ich streichelte sein braunes Fell und seine treuherzigen Augen ließen mich dahin schmelzen. „Wir gehen dann noch Gassi, Lux, gleich wenn ich hier fertig bin“. Ich freute mich auf einen ausgedehnten Spaziergang mit ihm durch den tiefen Schnee. „Wir haben angeblich einen Wolf in der Gegend. Gesehen hat ihn noch keiner aber es gibt eindeutige Spuren“. erzählte mir Mama.
„Echt, wow, find ich klasse. Das hat was Gruseliges“. Ich fand Wölfe super und würde zu gern mal einen sehen. Aus der Ferne wohl gemerkt. „Gell Lux, alter Junge du würdest mich schon beschützen“ Lux drückte sich mit seinem warmen Körper an mein Bein. Wir lachten alle. „Verlass dich bloß nicht auf ihn“, meinte Papa mit Blick auf seinen treuen Hund. Lux stieß eine leises „Wuff“ als Bestätigung aus.
„Früher waren Hunde grundsätzlich draußen und an der Kette mit Hundehütte“. Die Oma hatte ihre klare Meinung dazu.
Wir räumten den Kaffeetisch ab und ich zog danach meine Winterjacke und Stiefel an und schnappte mir die Hundeleine. „Auf geht’s Luxi“ Ich schnalzte mit der Zunge. Er kam gleich angerannt und wir beide verließen das warme Haus und marschierten durch den Schnee Richtung Wald. Es war traumhaft. Mich erfasste ein friedliches Weihnachtsgefühl und mit Lux an meiner Seite stapfte ich freudig durch die verschneite Winterlandschaft. Ich schmiss ihm Schneebälle zu und wir tollten durch die weiße Pracht. Ich hoffte natürlich auf den Wolf, aber es war weit und breit nichts von ihm zu sehen. Ich rechnete auch nicht wirklich damit. Wölfe waren scheue Wesen.
Nach ausgiebigen Spielen und als wir schon Richtung Hof unterwegs waren, kniete ich mich zu Lux runter und packte seinen großen Kopf in meine Hände.
„Lux, eins musst du mir noch versprechen. Bitte fang heute nicht zu jaulen an wenn wir singen, sonst fliegst du aus dem Haus, Weihnachten hin oder her“. mahnte ich ihn.
Unser Hund hatte noch eine etwas ungewöhnliche Vorliebe. Immer wenn er Gesang im Fernsehen, bei Mamas Musikabend mit ihren Landfrauen, usw. hörte, heulte er lautstark mit. Am Anfang fanden es alle witzig, aber nach einiger Zeit musste er aus dem Zimmer entfernt werden. Seine Ausdauer war unübertroffen und es klang einfach nur schauderlich.
Lux gab mir mit seiner feuchten Schnauze einen dicken Nasenstüber und stieß mich fast in den Schnee mit seinen Pfoten. Ich knubbelte ihn und als wir zurück in die warme Stube kamen war alles schon für das Abendessen vorbereitet.
Wir ließen uns die Würstel mit Kartoffelsalat schmecken und Lux bekam einen schönen Knochen mit noch viel Fleisch zum abnagen kredenzt.
Nach dem Aufräumen in der Küche verschwand jeder kurz um seine Geschenke unter dem Baum zu legen und als wir alle im Wohnzimmer versammelt waren, zündeten wir die Kerzen auf dem Christbaum an. Die Bescherung war wie immer ein wundervoller Brauch den wir alle liebten und ausgiebig zelebrierten. Dann wollten wir als musikalische Familie Weihnachtslieder singen. Unser Höhepunkt eines festlichen Abends.
Mama holte ihre Zitter hervor, ich meine alte Gitarre und wir stimmten unser erstes Weihnachtslied an. Ich schaute kurz zu Lux, der noch friedlich unter der Eckbank lag. Wir wollten mit „Alle Jahre wieder“ beginnen Kaum hatten wir losgelegt, setzte sich Lux in Position und fing an zu jaulen. So herzzerreißend und unmusikalisch wie es nur ein Hund fertig bringt. Wir hörten plötzlich alle auf zu singen. Draußen in der Dunkelheit war ein Heulen in Lux Gejaule mit eingefallen. Es war eindeutig der Wolf. Wir konnten es nicht glauben. Lux und der Wolf heulten um die Wette. Lux wurde es wohl auch bewusst und er stellte seinen Gesang ein. Das ferne Heulen des Wolfs ließ ihn erstarren. Mit großen Augen wie eine Eule sah er aus dem Wohnzimmerfenster in die stille Nacht. Dann verkroch er sich mit eingezogenem Schwanz winselnd unter die Eckbank.
Das Heulen des Wolfs hörte ebenfalls schlagartig auf. Wir staunten alle nicht schlecht. Es gab ihn also doch und Lux fürchterliches Jaulen hat ihn anscheinend animiert mit zumachen. Alles Zureden half nichts, unser Hund traute sich den ganzen Heiligen Abend nicht mehr aus seinem Versteck hervor und auch als wir zur späten Stunde die Kerzen ausbliesen und ins Bett gingen, rührte sich Lux nicht mehr von der Stelle. Ich kraulte ihn am Ohr. „Keine Sorge, der böse Wolf ist weit weg und tut dir sicher nix, fröhliche Weihnachten trotzdem Luxibär“ Seit diesem Abend hörte auch Lux Gejaule bei Musik aller Art auf. Es war, als hätte er Angst den Wolf herbeizurufen und sein Instinkt warnte ihn davor. Meiner Familie war es recht und der Wolf wurde auch nie gesehen und auch nicht mehr gehört. Für uns alle ein denkwürdiger heiliger Abend. Wir hatten doch tatsächlich einen Weihnachtswolf in unserer Mitte.
In liebevoller Erinnerung an den Kettenhund Lux, im Dorf meiner Oma, den ich als Kind oft bedauert habe.
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Schneeflöckchen kommt geschneit
Mutter Wolke zieht schwer gefüllt mit uns dicken Regentropfen durch den trüben Himmel. Lang kann es nicht mehr dauern und sie wird sich öffnen und uns in die weite Welt entlassen. Wir drängeln uns dicht zusammen, aufgeregt und bereit auf das große Abenteuer. Was wird mich erwarten? Wo werde ich aufschlagen? Wir Regentropfen sind schwer und wenn es dumm kommt klatsche ich hart auf den Boden auf. Lieber wäre mir natürlich das Wasser, in einen großen See vielleicht oder in einen reißenden Fluss fallen und sich treiben lassen mit Millionen von Artgenossen in den ewigen Kreislauf der Natur.Kalt ist es geworden, ich zittere und bibbere. Da, wie durch Zauberhand öffnet Mutter Wolke ihre Pforte und wir Regentropfen fallen aus ihrem schützenden Kokon.
Wir schreien und jubeln und jeder wird seine persönliche Geschichte erleben. Ich drehe und purzle in der Luft, werde immer schneller und schneller. Doch plötzlich verliere ich meine Geschwindigkeit. Ich werde langsamer und fange an mich zu verändern. Was passiert mit mir? Ich werde immer leichter und verforme mich zu einem Kristall. Ich sehe dass meinen Freunden um mich herum das gleiche passiert. Wir werden zu wunderschönen Sternen aus Eis. Wir schweben und tanzen durch die eisige Luft, wirbeln herum und drehen uns mit unseren wunderschönen weißen Kleidern umher.
Dunkel ist der Himmel über uns geworden. Ein leichter Wind trägt mich zu einem hellen Licht. Immer strahlender wird dieses Licht und ich lasse mich fallen, ergebe mich diesem herrlichen Glanz. Wie ein Wattebausch so leicht komme ich mitten auf einer Tannenspitze zur Ruhe. Die Tanne hat das Licht gesandt. Sie hat mir meinen Weg gezeigt. Sie ist geschmückt mit herrlichen bunten Kugeln und hunderte von Kerzen leuchten auf ihr. Unten auf dem Boden stehen viele Kinder und bestaunen sie mit großen Augen und singen:
„Schneeflöckchen, Weissröckchen wann kommst du geschneit“……
Ja ich bin da, lache ich. Seht mich an an, ich bin zu euch geflogen, so weit vom Himmel herunter. Ich wohnte in einer Wolke und jetzt sitze ich ganz oben auf diesem wundervollen Baum und ihr singt und freut euch weil ich da bin.
Immer mehr meiner Freunde fliegen zu mir und wir kleiden die Tanne in eine weiße Pracht.
„Es schneit, es schneit, bald kommt Weihnachten“ schreien die Kinder und sie fassen sich an den Händen und springen um den Weihnachtsbaum herum.
Meine Freunde und ich freuen uns sehr über diese nette Begrüßung und singen unser Lied : „Schneeflöckchen, Weissröckchen jetzt sind wir geschneit. Wir bringen euch Freude zur Weihnachtszeit“
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Wunderbar vorgelesen von Patricia und Philipp, Knips Productions, vielen lieben Dank.
https://www.youtube.com/watch?v=FQz2FNQCZaE
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Stern der Hoffnung
Es war einmal ein Stern der hell und strahlend im All leuchtete. Um ihn herum waren unzählige andere Sterne, so viele, dass er nicht wusste wo es anfing und aufhörte. Jeder dieser Sterne war so weit weg von dem anderen. Sie wussten nichts voneinander. Jeder war allein im großen dunklen Nichts. Es verging eine Ewigkeit und er merkte dass sein Glanz langsam verblasste. Bald werde ich sterben und mein Licht wird verschwinden und niemand wird mich vermissen. Es gibt so viele andere. Der Verbleib eines einzelnen zählt nicht. Dieser Zustand machte ihn sehr traurig und er sah keinen Sinn mehr in seiner Existenz.
Weit im dunklen Nichts war ein Planet der so blau war wie kein anderer in seiner Galaxie. Der Stern fand, dass er wunderschön aussah. Er hatte etwas Magisches, Einzigartiges an sich. Mutter Sonne strahlte auf ihn und er drehte sich im Kreis und ließ sich wärmen. Auch er war allein auf sich gestellt, die anderen Planeten waren zu weit weg. Wir sind alle allein dachte der Stern, allein im Universum.
Auf dem blauen Planeten, weit weg von dem Stern, in einem Haus unter dem Dach saß ein kleines Mädchen und sah aus dem Fenster. Sie beobachtete den Sternenhimmel. Es war klar heute Nacht, die Sterne funkelten um die Wette. Es war der Abend vor Weihnachten. Eigentlich habe ich alles, freute sich das Mädchen, ich habe tolle Eltern und wohne in einem schönen Haus. Wir sind gesund und ich habe viele Freunde. Ich bin wirklich glücklich. Morgen bekomme ich Geschenke. Am meisten würde ich mir wünschen, dass jetzt in dem Moment ein Zeichen kommt von Gott. Der freut sich sicher auch dass morgen wieder Weihnachten ist und die Menschen zumindest an dem Tag ein bisschen netter sind miteinander. Das wäre schön, dachte sie.
Der Stern fühlte seine Zeit war gekommen. Ich werde mich jetzt auf den Weg machen und eins werden mit der unendlichen Dunkelheit im ewigen Nichts. Er ließ sich fallen und zog einen langen hellen Schweif hinter sich her. Wie ein Lichtwesen zog er durch das All und spürte plötzlich eine tiefe Zufriedenheit und Erlösung in sich.
Das kleine Mädchen auf der Erde sah diese wunderschöne Sternschnuppe. Sie war so hell und herrlich anzusehen. Sie zog wie ein Glitzerband durch die schwarze Nacht.
„Fröhliche Weihnachten, lieber Gott“ lachte das kleine Mädchen und klatschte begeistert in die Hände. Mein Wunsch ging in Erfüllung. Ich muss einfach nur fest daran glauben und genau hinsehen, dann sehe ich auch im dunklen Nichts ein Zeichen der Hoffnung. Ich danke dir.
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Eine besinnliche Yogastunde
Zwei Wochen vor Weihnachten trafen sich vier Teilnehmer am Abend zu ihrer wöchentlichen Yogastunde mit Lehrmeisterin Sina. Sina war eine erfahrene Yogameisterin und versprühte stets den erleuchteten Glanz auf ihre begabten Schülerinnen und Schüler. Alle liebten die Stunde bei ihr. Sina war ein Schatz. Beim Sonnengruß gab‘s die ersten Unsicherheiten und eine allgemeine Unruhe machte sich im Raum breit.
Sina seufzte.“Was ist denn los heute, ihr seid alle so fahrig und gar nicht bei der Sache“.
Ihre sanften braunen Augen schweiften über die vier Anwesenden.
Marlene, eine ehrgeizige Karrierefrau, überzeugter Single, legte gleich los.
„Ich krieg den Kopf nicht klar, dieses „Scheiss Weihnachten“. Meine Mutter ruft mich täglich in der Arbeit an, was ich essen will und jammert mich voll, weil Vater sich nicht im Haushalt betätigt. Sie will den Christbaum heuer Rot statt Gold schmücken und die Plätzchen sind ihr zu hart geworden und blabla..ich will das alles nicht mehr hören.“
Susi, Hausfrau und Mutter zweier kleiner Kinder.
„Geht mir genau so, ich frage mich wozu ich den Terror noch mitmache. Ich schufte mich kaputt im Advent, mache alles schön und am Heiligen Abend plärren die Kinder, die Bratensoße ist nicht gelungen und mein Mann macht auf alles gut.
Gerd, Beamter, geschieden, pflegebedürftige Eltern.
„Ich darf meinen Kindern Geld überweisen und sie die Feiertage nicht sehen. Ich sitz bei meinen alten Eltern und hör mir Verdauungsprobleme und sonstige Krankheitsgeschichten an. Ich glaub ich hau ab.“
Kerstin, Lehrerin im Ruhestand, Witwe, keine Kinder.
„Ich denke mir jedes Mal, warum tu ich mir das jedes Jahr an? Ich sitze allein vorm Christbaum und bedauere mich. Eigentlich könnte ich am Palmenstrand liegen oder ein Wellnesshotel genießen.“
„Setzt euch alle hin“, sagte Sina und alle nahmen auf ihren Matten gehorsam Platz. „Ich mache euch einen Vorschlag. Ich fliege am 23.12 nach Pune, Indien. Ich mache dort ein Meditationsseminar. Ihr könnt mitkommen und den ganzen Stress hier zurück lassen. Kein Weihnachtsterror und keine lästigen Verpflichtungen. Wie schaut‘s aus?“ Sina lächelte sanft in die Runde.
„Nein, das kann ich meinen Eltern nicht antun, sie lieben Weihnachten und ich ja eigentlich auch. Es ist ja dann immer ganz nett bei ihnen und die Feiertage machen wir auch immer einen schönen Ausflug zusammen“ sagte Marlene.
„Um Himmels Willen, ich kann meine Familie nicht allein lassen. Die Kinder glauben ja noch ans Christkind und wenn ich das Glöckchen bimmel und die Kleinen kommen ins Wohnzimmer mit großen Augen, den Anblick will ich auf keinen Falls missen, es ist so süß“, sagte Susi.
„Wer weiß, was nächstes Weihnachten ist, meine Eltern haben ja nur noch mich und waren immer für mich da. Ich koche für sie und sie sind so dankbar wenn ich komme. Sie sind so lieb zu mir“, sagte Gerd.
„Irgendwie ist es doch zu Hause am schönsten und ich will ja am Heiligen Abend in die Messe gehen, da treff ich viele Bekannte und meine Nachbarin freut sich immer so, wenn ich am ersten Weihnachtsfeiertag zu ihr auf einen Tee komme, sagte Kerstin.
Sina lachte fröhlich. „Obwohl ihr alle Weihnachten so schlimm findet, fallen euch aber viele Gründe ein, es doch zu feiern. Ich höre überall Liebe, Fürsorge und Freude heraus. Lasst euch das durch den selbsterzeugten Stress nicht kaputt machen. Versucht jeden Tag in Ruhe und voller Zuversicht zu meistern. Seit Achtsam mit euch selber. Mehr müsst ihr nicht machen. Dann wird es sicher ein schönes Fest für euch alle werden.
Marlene, Susi, Gerd und Kerstin grinsten sich alle an. Sina hatte ihnen wieder mal den Spiegel vorgehalten und die Situation liebevoll entschärft. Sie war eine eben eine Meisterin, auch für gestresste Seelen.
„Wir sollten heute mal unsere Yoga Verbiegungen ausfallen lassen und lieber irgendwo einen schönen Drink zu uns nehmen. Was meint ihr?“ schlug Sina vor.
Alle waren einverstanden und machten sich gut gelaunt auf den Weg ins Cafe „Nirwana“ und verbrachten dort einen besinnlichen Abend.
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Ein besonderes Geschenk von Fritzi
Fritzi war ein roter Hauskater, der mit seinem vierköpfigen Personal in einem kleinen Haus in einer ruhigen Gegend lebte. Die Fütterung verlief regelmäßig, die Fritzi mit Schnurren und Schmusen gnädig belohnte. Fritzi war ein Freigänger, der gerne streunte und so manche Pirsch verlief zum nahen kleinen Bach und einer verfallenen Hütte, in welcher eine Mäusekolonie lebte. Was konnte es Besseres geben? Das Leben war herrlich.
In der Winterzeit war Fritzi mehr auf dem Sofa anzutreffen, auf einem Schreibtisch oder in der Küche.
Sein Personal kochte in dieser Zeit gerne deftig und so mancher Happen fiel auf dem Boden oder gleich direkt in Fritzis geöffneten Schlund.
Einmal im Jahr, Fritzi war drei Jahre alt und kannte das Ritual, stand ein Tannenbaum mit allerlei Glitzerzeug im Wohnzimmer. Fritzi durfte damit nicht spielen, es wurde in die Hände geklatscht oder „pschpsch“ gerufen und Fritzi zog sich zurück. Egal, wenn er wollte, könnte er in der Nacht den kompletten Baum umwerfen, es wäre ein Kinderspiel, aber er hatte Manieren. Er liebte seine Dosenöffner.
Am Heiligen Abend gab es saftige Hühnerschenkel ausgelöst, extra für ihn und wenn die ganze Familie gerührt unter dem Christbaum saß und Geschenke auspackte, schnurrte Fritzi satt auf dem Sofa zufrieden vor sich hin.
Am ersten Feiertag gab es Fisch und auch da kam Fritzi nicht zu kurz. Weihnachtslieder wurden gesungen, die Kinder spielten mit ihm, der Christbaum leuchtete in der Ecke, alle waren guter Dinge und draußen klirrte die Kälte. So weit so gut.
Am zweiten Feiertag kam wie immer Besuch. Eine ältere Dame, Fritzi konnte sie nicht leiden und die Dame ihn auch nicht. Sie machte einen großen Bogen um ihn rum und scheuchte ihn aus der Küche. Überhaupt trat sie sehr bestimmt auf und ihre knorrige Stimme hallte durch das ganze Haus. Fritzi spürte, dass die Dame nicht wirklich willkommen war. Die ganze Familie war angespannt. Fritzi verzog sich meistens in ein Kinderzimmer oder ging nach draußen.
Am frühen Abend, die Familie kochte und die Dame mischte sich in der Küche überall ein. Fritzi fixierte sie eine Zeitlang mit seinen grünen Augen und verließ dann durch seine Klappe das Haus. Ein bisschen Bewegung war sicher nicht verkehrt. Er schlich zu der Hütte und konnte sein Glück kaum fassen. Eine Maus spazierte im Schnee direkt vor seiner Nase. Diesen Anblick konnte Fritzi natürlich nicht lange mit ansehen und schnappte sich das kleine Tier. Zum Spielen war es zu kalt also nix wie zurück ins Haus. Fritzi wusste, dass er das eigentlich nicht durfte, aber er hatte einen Plan.
Vorsichtig stieg er durch die Klappe, die Maus war schon in eine Schockstarre verfallen. Die Familie saß am Esstisch und lauschte der sperrigen Stimme der Dame. Fritzi stolzierte in den Raum schnurstracks zu der Dame und strich an ihrer Wade entlang. Diese hielt mit ihrem Monolog kurz inne und sah nach unten zu Fritzi mit der Maus im Maul.
Die Dame stieß einen schrillen Schrei aus, sprang erst auf den Stuhl und dann auf den festlich geschmückten Tisch und kreischte wie am Spieß. Die ganze Familie redete mit Händen und Füßen und versuchte die wild gewordene Dame wieder zu beruhigen. Es war herrlich, aber Fritzi hatte genug gesehen. Er verschwand aus dem Zimmer und schlich durch die Klappe zurück zu der Hütte. Er ließ die Maus los und diese verschwand nach kurzem Zucken in der Dunkelheit. Schließlich war Weihnachten, da war Fritzi gnädig und die Maus hatte auch dazu beigetragen, dass die Dame, welche noch am selben Abend abreiste, nicht mehr gesehen wurde. Fritzi bekam ab diesem Zeitpunkt jedes Jahr zu Weihnachten eine aus Hackfleisch geformte Maus geschenkt.
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Ein kleines Weihnachten
„Junge, sieh mich an. Früher war ich ein Herzensbrecher und harter Knochen und jetzt liege ich wieder in den Windeln. Zahnlos geboren und genauso zurück ins Jenseits. So schließt sich der Kreis“ lachte Hans Julian ins Gesicht. „Ich sag dir was, die Menschheit ist besser dran, wenn sie sich bald selbst von dem Planeten schießt. Wir sind genetischer Sondermüll. Nicht mehr verwertbar“. Julian grinste und schüttelte den Kopf. Hans war immer gut drauf, mit einer scharfen Selbstironie und trotzdem mit viel guter Laune und oft einen derben Spruch auf den Lippen.
Julian absolvierte nach seinem Abitur drei Monate ein Praktikum in einem Pflegeheim und die alten kranken Menschen waren für Julian immer eine Bereicherung gewesen. Er wollte Medizin studieren und der Einsatz hier war ein guter Einstieg, um mit und für Menschen zu arbeiten. Julian durfte natürlich alles mit einer gewissen Distanz erfahren, die Unterstützung der Pflegekräfte war zwar anstrengend aber sehr lehrreich. Selten erlebte er ein so befriedigendes Gefühl etwas wirklich Nützliches getan zu haben. Julian wollte nach seinem Einsatz erstmal für ein Jahr nach Australien, ein Work und Travel absolvieren. Julian war mit einer gut bürgerlichen Familie gesegnet. Ein Wohlstandskind seiner Zeit. Trotzdem, oder genau deshalb wollte er in einem Pflegeheim mithelfen. Die reale Welt erleben, den harten Boden der Tatsachen, bevor es nach den Weihnachtstagen nach „Down Under“ ging. Heute wollte er sich von seinen zwei seiner Lieblingspatienten verabschieden. Es war ein Tag vor Heilig Abend und in der Adventszeit half Julian in der Station aus mit allem was er eben so konnte und durfte. Essen ausgeben, Kaffeenachmittage mit organisieren, der Nikolaus kam mit Geschenken und es gab Plätzchen. Den Schwestern zur Hand gehen. Die vielen alten Menschen unterhalten, zuhören und kleine Bitten erfüllen. Das ganze Team war mit seiner Mitarbeit zufrieden.
Jetzt saß er bei Hans, einem ehemaligen Malermeister, der seit zwei Jahren im Pflegeheim lag und dort auch sterben wird, so wie eben alle Menschen an diesem Ort. Er war Witwer und hatte einen Sohn, der im Ausland lebte. Er bekam keinen Besuch. Alle in seinem Bekanntenkreis waren bereits gestorben. Hans war ein Mann, der immer hart arbeitete und nicht viel verlangte vom Leben, aber wenn er erzählte klang er nicht verbittert. Er war witzig und immer noch gut informiert. Sein kleiner Betrieb war sein Herzstück und als er krank und allein war, nach über 40 Jahren harter Arbeit lag er jetzt in seinem Pflegebett und wartete seinem Ende entgegen. Julian hatte bereits eine Oma verloren und wusste was es hieß, Abschied zu nehmen.
„Hans, was war ihr schönstes Weihnachten?“ Julian saß an Hans Bett und reichte ihm den Tee in der Schnabeltasse. Er half dem alten Mann damit er nichts verschüttete. Hans trank vorsichtig und legte seinen kahlen Kopf zurück auf das Kissen.
„Wenn du mich so fragst, eigentlich als ich noch ein Kind war. Wir hatten ja nichts und Weihnachten gab es auch nichts, aber die Eltern waren beide am Heiligen Abend nicht auf dem Feld oder im Kuhstall, sondern in der Küche und spielten mit uns. Mutter kochte einen Braten und unser Vater las uns Kindern vor. Der Christbaum war mickrig, aber die Kerzen auf dem Baum waren wunderbar. Wir sangen zusammen und es war einfach heimelig. Als ich selbst eine Familie hatte, waren unsere Weihnachten auch sehr schön, aber so richtig dieses Weihnachtsgefühl verspürte ich in meiner kleinen zugigen Bauernstube. Ich hoffe, meine Martha im Himmel ist mir jetzt nicht beleidigt“ schmunzelte der alte Herr. Er sprach oft von seiner verstorbenen Frau und er vermisste sie jeden Tag. Das wusste Julian.
„ Weißt du Weihnachten ist ein hohes Fest aber eigentlich wollen die Menschen doch am meisten die friedliche Stille in sich erleben. Jeder hat sein eigenes kleines Weihnachten.“ Julian nickte. In seiner Familie wurde Weihnachten meisten laut und mit vielen Menschen gefeiert, es war eher eine Party. Seine Eltern luden Verwandte und Freunde ein und jeder brachte Essen mit und später wurde getanzt und ordentlich gebechert. Besinnlichkeit eher Fehlanzeige.
Das erzählte er Hans aber nicht. Er wollte einfach nur neben ihm sitzen und zuhören.
„Du musst aufpassen da unten wo du bald hinfährst, das rote Land ist gnadenlos und eigentlich waren das alle Verbrecher“. Hans tätschelte Julian die Hand und schloss die Augen. „Ach, hör nicht auf mich, ich bin ein dummer Narr.“ Der alte Mann wurde langsam müde. Julian spürte, dass er sich verabschieden musste.
„Vielen Dank Hans und ich wünsche ihnen ein schönes Weihnachtsfest. Ich hoffe, sie nehmen im Aufenthaltsraum bei der Weihnachtsfeier teil? Es gibt Rinderbraten und danach Stollen und Glühwein“. Julian wusste, dass Hans immer noch gerne aß und trank.
„Sicher, ohne mich läuft hier nichts. Alles Gute für dich und danke für deine Hilfe“. Die beiden gaben sich die Hand und Julian verließ das Zimmer. Er schluckte. Das ging ihm sehr nahe. Es war sicher, dass er den alten Herren nicht mehr sehen wird, wenn er wieder zurückkam und dem Heim einen Besuch abstatten wird. Er atmete kurz durch und da kam ihm Buffy, die Stationshündin entgegen. Buffy gehörte der Heimleiterin und durfte, soweit erlaubt, mit den alten Menschen spielen oder einfach bei ihnen sein, wenn sie es wollten. Buffy war hier der Liebling. Julian strich der Mischlingshündin über das seidige Köpfchen.
„Komm Buffy, wir gehen jetzt zu Selma.“ Selma war eine vornehme alte Dame. Sie war Julian gegenüber stets höflich und korrekt, ein Grand Dame. Sie hatte etwas erhabenes. Julian unterhielt sich immer gerne mit ihr. Sie war bei klarem Verstand und sehr gebildet.
Sie gingen in Richtung Privatstation weiter, Buffy ganz brav an Julians Seite. Auch dich werde ich sehr vermissen, dachte er bekümmert. Dieser Einsatz hatte wirklich etwas mit ihm gemacht.
Er klopfte an die Tür und sie traten ein. Selma saß in ihrem Rollstuhl am Fenster. Ihr Zimmer ging direkt zum kleinen Marktplatz hinaus, ein Christkindlmarkt war dort aufgebaut und ein wunderschöner Christbaum funkelte vor sich hin.
„Wie schön, dass ihr beide vorbeischaut. Kommt rein“ freute sich die alte Dame und klopfte mit ihrer faltigen Hand auf den freien Stuhl gegenüber. Buffy wedelte freudig mit dem Schwanz und setzte sich artig neben den Rollstuhl.
„Ich wollte mich verabschieden und ihnen schöne Weihnachten wünschen“ Julian setzte sich und Selma nickte. Sie trug ihr weißes volles Haar hochgesteckt und sah wie immer sehr gepflegt aus.
„Das ist sehr freundlich mein lieber Julian. Wir werden sie alle vermissen, nicht wahr Buffy?“ Die Hündin sah hoch mit ihren treuen Augen und macht leise „Wuff“.
Selma lachte und Julian stimmte mit ein.
„Ich werde sie auch alle vermissen. Ich habe eine Menge gelernt und vieles hat mir auch wirklich zugesetzt und manchmal war es schwer auszuhalten, aber jetzt weiß ich auch das mein Studium die richtige Wahl ist. Ich will Menschen helfen.“
„Dann war ihr Einsatz hier genau richtig, nichts ist immer nur leicht und unbekümmert. Das Leben ist eher das Gegenteil und doch hängen wir an ihm fest. Ich finde es sehr mutig von ihnen Arzt zu werden, es braucht dazu eine große Verantwortung und Zuversicht. Aber sie meistern das. Aber erst müssen sie ihren Auslandsaufenthalt genießen. Grüßen sie Sydney von mir.“ Selma war schon sehr weit gereist. Für eine Frau ihrer Generation eher ungewöhnlich. Julian war immer sehr beeindruckt, wenn Selma von ihren Reisen erzählte. Anscheinend war Selma immer allein unterwegs. Sie war eine Tochter aus gutem Hause. Sie schrieb Reiseberichte für einen Verlag. Heute wäre sie eine Bloggerin. Sie bekam auch keinen Besuch. Es schien ihr nichts auszumachen.
„Selma, was war ihr schönstes Weihnachten?“ fragte Julian auch sie.
Die alte Dame sah ihm in die Augen. „Meine Eltern waren Atheisten, wir feierten keinen Heiligen Abend. Ich sah einen Christbaum nur auf dem Weihnachtsmarkt. Als ich zum Reisen anfing, erlebte ich in unterschiedlichen Kulturen das Christfest. Aber liebsten war ich allein. Ich wollte mein eigenes kleines Weihnachten nur mit mir selbst feiern, egal wo ich mich aufhielt.“
So ähnlich hatte es Hans heute auch schon formuliert, dachte sich Julian im Stillen.
Das kleine Weihnachten nur für einen selbst.
„Kennen sie das Lied „Have yourself a merry little Christmas“ von Judy Garland? Ich liebe dieses Lied. Ich hoffte früher immer es im Radio zu hören, später kaufte ich mir die Schallplatte und nahm diese überall mit. Ich lauschte diesem herrlichen Song und zündete eine Kerze an, meistens irgendwo in einem Hotelzimmer mit Plattenspieler. Mehr brauchte ich nicht um in Weihnachtsstimmung zu kommen. Das war immer einer meiner schönsten Momente im Leben“.
Selma schaute aus dem Fenster und ihre blauen Augen glitzerten leicht.
„Ich kenne das Lied glaube ich von Katie Melua. Judy Garland sagt mir gerade nichts, aber ich werde es mir anhören auf dem Smartphone.“ versprach Julian. „Sie gehen aber schon zu der Weihnachtsfeier morgen Abend?“
„Mal sehen. Zum Essen schon, anschließend habe ich hier mein Date mit Judy“ schmunzelte sie.
Selma legte ihre faltige kleine Hand auf seine und drückte ihn leicht. „Machen sie etwas Großartiges, nehmen sie sich alles was das Leben ihnen bietet und seien sie ein guter Mensch dabei, dann ist es der richtige Weg“.
„Das versuche ich Selma und vielen Dank für alles“.
Julian stand auf und Buffy erhob sich ebenfalls, streckte sich und lief zur Tür.
„Ich danke ihnen und auch das sie mir gerade diesen wunderbaren Moment der Erinnerung geschenkt haben. Ich wünsche ihnen ein wunderschönes kleines Weihnachten“. Selma lächelte ihm zu. Julian winkte Selma ein letztes Mal und verließ das Zimmer.
Er ging im Flur in die Hocke zu Buffy und knuddelte sie. „Komm Buffy, es wird Zeit“. Sie gingen zusammen in die Stationsanmeldung und Julian verabschiedete sich von allen Schwestern die gerade Dienst hatten. Er wurde gelobt und gedrückt und er bekam Plätzchen geschenkt. Julian streichelte noch einmal Buffy, schlüpfte in seine Daunenjacke und verließ mit seinem Rucksack das Pflegeheim.
Auf dem Weg nach Hause, setzte er seinen Kopfhörer auf, holte sich den Song von Judy Garland und ihre wunderbare Stimme trug ihn durch die stille Winternacht nach Hause zu seiner Familie und in die weite Welt.
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Ein Geschenk des Himmels
Margot stand mit Hitzewallungen in der Vorweihnachtszeit in ihrem Bad und machte sich zurecht. Lotte, ihre siebenjährige Enkeltochter führte heute bei der Schulweihnachtsfeier in der Aula der Grundschule ihr Flötensolo vor. Ein mutiges Kind. Margot war stolz. Als alleinerziehende Mutter einer Tochter, die dann selbst früh Mutter wurde, aber dem Himmel sei Dank glücklich verheiratet war, wusste Margot am besten wie schwer es war ein Kind gesund und wohlerzogen groß zuziehen.
Margot tuschte ihre Wimpern und legte Lippenstift auf. In der Aula war es sicher brütend warm und sie hatte vorsorglich eine leichte Baumwollbluse zur lockeren Hose angezogen. Margot litt mit 57 Jahren an den Ausläufern der Wechseljahre und sie hoffte inständig, dass es bald ein Ende hatte. „Spätpubertät mit üblem Ausgang“ nannte es ihre liebe Kollegin, die mit sechzig endlich durch war und sich in den Vorruhestand verabschiedet hatte. Margot vermisste sie sehr.
Ich trage auch zum Klimawandel bei, mich sollte man anzapfen, ich bin ein Kernkraftwerk, dachte sie grimmig und huschte aus dem Bad und schlüpfte in ihren Mantel und Stiefel. Der kurze Gang zur Schule in der frischen Luft tat bestimmt gut und Margot konnte sich hoffentlich etwas runterkühlen.
Sie dachte an ihre letzte Unterhaltung mit Lotte als sie das Haus verließ.
„Bernhard sagt, wir Menschen dürfen uns nicht beschweren über das Wetter, weil wir den Klimawandel selbst verursachen“ belehrte sie Lotte letzten Samstag beim Frühstück. Sie durfte bei Oma übernachten und Margot schimpfte gerade darüber, dass es wieder keinen Schnee gab am 1. Advent.
„Wer ist denn Bernhard, dein Mitschüler?“ fragte Margot. Lotte trank ihren Kakao und schüttelte den Kopf. „Nein unser Hausmeister, der ist voll cool. Er kommt als Nikolaus zur Weihnachtsfeier und verteilt Süßigkeiten“. „Aber der Nikolaus kommt doch vom Himmel…“setzte Margot an, aber ihre Enkelin verdrehte die Augen „Omaaaa, der Nikolaus hat doch jetzt voll viel zu tun, der braucht doch seine Helfer“. „Ach so, da hast du natürlich recht“, nickte Margot zustimmend.
Margot schmunzelte vor sich hin. Ihre Tochter Bianca sah ihr so ähnlich als sie in Lottes Alter war. Sie erinnerte sich wie heute, als man ihr nach der schweren Geburt das kleine Bündel in die Arme legte, der Kindsvater war da bereits über alle Berge. Margot wusste, dass sie jetzt stark sein musste und sie schaffte es mit ihrem Job als Verwaltungsangestellte mit sicherem Einkommen einigermaßen Bianca und sich durchs Leben zu tragen. Sie hatte immer alles gegeben. Geschenke zur rechten Zeit, kleine Urlaube, viel Zeit zum Spielen und schwimmen gehen, morgens ein Frühstück vor der Schule, all diese essenziellen Dinge, die heute anscheinend bei vielen Familien nicht mehr möglich waren.
Margot wusste, dass sie vieles richtig gemacht hatte und als Bianca ihr Abitur in der Tasche hatte und studieren wollte, da platzte Margots Herz fast vor Stolz. Mit Lotte wurde ihr Glück perfekt, nur der richtige Mann an ihrer Seite, den hatte sie nicht gefunden. Der Erzeuger war ein peinlicher Ausrutscher nach einer feuchtfröhlichen Feier, aber Margot übernahm die Verantwortung und entschied sich für das Leben in ihrem Bauch. Da sie keine Familie in der Stadt hatte, ihre Eltern lebten damals schon auf dem Land, war sie gezwungen ein gutes Netzwerk aufzubauen. Sie lernte dadurch viele Frauen mit gleichem Schicksal kennen und es entstanden Freundschaften, die auch heute noch hielten. Als Bianca ein Teenager war, konnte Margot auch öfters abends losziehen. Sie lernte alles kennen, Langweiler, Säufer, Angeber, Besserwisser, aber ein Mann, an den sie sich anlehnen wollte, war nicht dabei. Ein paar Bekanntschaften mit gelegentlicher Übernachtung, mehr gab es nicht. Dating Portale waren nicht ihr Ding und trotz aller Niederlagen war Margot alles andere als frustriert. Sie freute sich immer an dem was sie hatte und lief nicht irgendeiner Träumerei hinterher.
Und jetzt durfte sie bei der Aufführung des Weihnachtskonzertes dabei sein und Lotte bewundern. Sie ging durch die kleine Fußgängerzone ihrer Stadt. Ein herrlicher Christbaum leuchtete auf dem Marktplatz und sie marschierte an den Glühweinständen vorbei Richtung Grundschule. Ihre alte Grundschule, Biancas und jetzt Lottes Schule. Wie die Zeit verging.
Margot erreichte das alte Gebäude und ging zur Aula. Bianca und ihr Schwiegersohn Carl waren sicher schon eingetroffen mit all den anderen stolzen Eltern.
Alles war weihnachtlich geschmückt und es ging bereits zu wie im Taubenschlag. Margot legte ihren Mantel ab und winkte ihrer Tochter zu. Lotte stand schon mit den vielen anderen Kindern bei dem Nikolaus, Hausmeister Bernhard, der eifrig aus seinem Sack allerlei Süßkram verteilte. Ein Gong ertönte und die Eltern wurden gebeten sich langsam zu setzen. Lotte verschwand mit den anderen Kindern hinter die Bühne und Margot setzte sich zu Carl und Bianca. Die Vorführung war zauberhaft, die Kinder spielten fehlerfrei und voller Hingabe und Margot spürte eine wunderbare Vorfreude auf Weihnachten. Sie feierten den Heiligen Abend zusammen bei Bianca und es war immer sehr stimmungsvoll und entspannt. Es gab eine kleine Pause bevor ein Krippenspiel vorgeführt wurde und Margot spürte bereits die ersten Wallungen in sich hochkriechen. „Ich geh mal kurz an die frische Luft“ sagte Margot zu ihrer Tochter und sie schnappte sich ihren Mantel bei der Garderobe und schlüpfte durch die Terrassentür in die nächtliche Kälte. Das tut gut, dachte sie erleichtert und sie machte kurz die Augen zu. Jemand räusperte sich leise und sie sah Bernhard der Hausmeister in einer Ecke stehen. Er hatte seinen weißen Bart abgenommen und lächelte sie an. Seine Wangen waren ganz rot.
„Ganz schön stickig da drin und der Stoff ist wie ein Panzer“, schnaufte er in die kalte Luft.
„Das stimmt“, nickte Margot, „ging mir genauso. “ Bernhard lächelte immer noch und kam auf sie zu. Er war groß und stattlich und hatte ein freundliches Gesicht mit warmen Augen die viele Lachfältchen hatten.
„Meine Enkelin Lotte Becker spielte beim Konzert mit, ich bin Margot Keller, ihre Oma“, stellte sie sich vor.
Nikolaus Bernhard zog die Stirn zusammen und man merkte richtig wie es in ihm arbeitete.
„Margot Keller, die Margot die in der dritten Grundschulklasse neben mir gesessen hat?“
Margot starrte den großen Mann im Nikolauskostüm an. „Das gibt’s doch nicht, Bernhard Wiesner?“
„Der und kein anderer. Ich glaub‘s nicht, die kleine freche Margot“ lachte Bernhard und Margot stimmte mit ein. Bernhard war ein Jahr neben ihr gesessen und sie haben gegenseitig abgeschrieben und konnten sich gut leiden. Er war später weggezogen und sie hatten sich aus den Augen verloren.
„Meine Lotte ist ganz begeistert von dir“, Margot sah in seine braunen Augen und sie fühlte sich plötzlich wieder wie ein kleines Mädchen.
„Naja, ich tue mein Bestes die kleinen Damen und Herren administrativ durch den Tag zu bringen. Mensch Margot, das freut mich wirklich dich wieder zu sehen. Gut siehst du aus und Oma bist du schon, kann ja nicht sein“ Bernhard schüttelte den Kopf.
„Ja die Zeit vergeht und jetzt stehen wir hier“. Margot und Bernhard drückten sich die Hände und beide fühlten eine wunderbare Nähe und Vertrautheit in der kalten stillen Winternacht.
„Margot, lass uns doch mal einen Kaffee trinken gehen, hast du Lust? Ich freue mich so dich wieder getroffen zu haben. Ich meine falls dein Mann nichts dagegen hat“, fügte er schnell hinzu.
„Es gibt keinen und ich würde sehr gern einen Kaffee mit dir trinken gehen, falls deine Frau nichts dagegen hat“, sagte sie ebenfalls. Bernhard schüttelte den Kopf.
„Es gibt keine und ich freue mich jetzt schon auf unseren Treff. Ich gebe dir gleich meine Handynummer, dann kannst du mich anrufen, nach den Feiertagen, wenn es passt für dich.“ Er zog sein Handy aus dem roten Gewand und Margot legte in ihrem Smartphone einen neuen Kontakt an. Sie gab ihm ebenfalls ihre Nummer und sie lachten wieder, weil es so komisch und überraschend war, wie sie beide rumstanden, der Nikolaus und sie und verstohlen Nummern tauschten.
„Jetzt sollten wir wieder reingehen, wir werden sicher schon vermisst“ Margot schaute durch das Fenster, das Krippenspiel ging langsam los. Bernhard öffnete ihr die Türe und sie betraten gemeinsam die Aula und gingen an ihre Plätze zurück. Bernhard drückte ihr vorher noch kurz die Hand und Margot lief ein kleiner Schauer über den Rücken.
Als es dunkel wurde und die Vorführung begann, klopfte Margots Herz aufgeregt vor sich hin. Es war unglaublich, was für ein Zufall. Sie konnte es immer noch nicht fassen, in ihrer alten Grundschule einen ehemaligen Mitschüler wieder getroffen zu haben. Bernhard, der coole Hausmeister, der Klimaversteher und Gehilfe vom Nikolaus und sie hatte ein Date mit ihm. Einfach so.
Als die Vorführung zu Ende ging setzten sich die Familien mit allen Lehrern noch etwas mit Tee und Plätzchen zusammen. Lotte wurde überschwänglich für ihren Auftritt gelobt und freute sich.
Margot schaute immer wieder verstohlen zu Bernhard, der zwei Tische weiter saß und sich mit dem Rektor und dessen Frau unterhielt. Nach einiger Zeit stand er auf und winkte Margot zu und gab ihr zu verstehen, dass er los musste. Er machte ein Zeichen mit der Hand, das hieß, wir rufen uns zusammen. Margot winkte zurück und strahlte über das ganze Gesicht und nickte ihm zu. Lotte hatte natürlich alles beobachtet und schlich zur ihr und setzte sich auf ihren Schoss und flüsterte ihr ins Ohr.
„Der Nikolaus hat wirklich einen netten Gehilfen, gell?“ gluckste sie schelmisch und dann musste Margot laut lachen. „Das stimmt mein Schatz, er ist wirklich wie ein Geschenk direkt vom Himmel.“
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Weihnachtsgeschichten am Kamin 35:
Gesammelt von Barbara Mürmann (Deutsch) Taschenbuch – 13. Oktober 2020
von Barbara Mürmann (Herausgeber)
Rowohlt Verlag
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Seelsorge zur Weihnachtszeit
„Als die beste Freundin meiner Frau starb und wir nicht mit auf die Beerdigung gehen durften, war das ganz furchtbar. Die wenigen sozialen Kontakte, die wir alten Leute noch haben, das ist schon schlimm genug. Wir sind kaum aus dem Haus, es war alles noch viel einsamer“ erzählte ein alter Mann mit brüchiger Stimme.
„Wir mussten unsere Hochzeit absagen, der ganze Stress der letzten Monate alles umsonst, vom Geld ganz zu schweigen“ weinte eine junge Braut.
„Ich traue mich nicht zum Arzt zu gehen und sitze mit Rückenschmerzen zu Hause im Homeoffice auf meinem unbequemen Esszimmerstuhl und meine schreienden Kinder um mich rum, ich flippe bald aus.“ schimpfte ein gestresster Büroangestellter.
„Ehrlich gesagt ich habe den Lockdown fast genossen. Als Reisebloggerin bin ich pausenlos im Stress nach dem perfekten Foto, um meinen vielen Followern alles zu bieten. Plötzlich musste ich zu Hause bleiben und das Gute daran, die anderen eben auch. Der Druck ständig raus zu müssen, abzuliefern und das ungute Gefühl zu haben, andere Leute unternehmen viel spannendere oder schönere Dinge als ich, alles war plötzlich weg. Ich fühlte mich ein bisschen wie Weihnachten, es war sehr gechillt. Mir graut jetzt richtig, wenn der Wahnsinn wieder los geht, ich muss lernen mich besser abzugrenzen“ berichtete eine junge Frau.
Als ehrenamtliche Telefonseelsorgerin für Jung und Alt kann ich nicht mehr aufzählen wie viele Anruferinnen und Anrufer ihr Herz das ganze Jahr bei uns in der Gemeinde ausschütteten. Das Zuhören und Mitfühlen und vor allem das Verstehen, weil die Pandemie uns alle gleich traf, verband mich sehr mit den besorgten Seelen in diesem herausfordernden Jahr.
Jetzt zwei Tage vor Weihnachten, wo alle Menschen noch mehr zusammenrücken wollen und die Gefühle einen noch mehr überrennen, stehen bei uns im Büro die Telefone nicht still. Weihnachten will gefeiert werden, wir alle brauchen die Gemeinschaft und unsere Lieben um uns rum. Corona hatte uns alle verändert, wir sind verwundbarer, sensibler und auch demütiger geworden. Das Virus hatte etwas mit uns gemacht.
Ein kleiner Junge rief mich an und fragte, ob das Christkind denn gesund sei und die Geschenke bringen kann, der Nikolaus kam ihm dieses Jahr viel dünner vor. Ich versuchte ihn zu beruhigen. Auch der Nikolaus und das Christkind machten sich große Sorgen um alle Menschen, aber es gehe den beiden gut und seine Geschenke werden ganz sicher unter dem Christbaum liegen.
Es war schon dunkel draußen und ich hatte bald Feierabend, einen Anruf wollte ich aber noch entgegennehmen.
„Hallo hier spricht Anne“ sprach ich in mein Mikrophon.
„Hallo, ich bin Gisela und keine Ahnung, warum ich anrufe. Irgendwie wollte ich kurz mit jemanden reden“. Ein raues Lachen folgte und ich hörte wie eine Zigarette angezündet wurde.
„Gerne Gisela, wie geht es Ihnen, wie war ihr Tag?“
„Er war hektisch wie immer. Ich arbeite in einem Drogeriemarkt und glauben sie mir, ich kenne alle Witze über Toilettenpapier“. Wir lachten beide. Die Frau war mir sofort sympathisch.
„Meine Tochter besucht meinen Mann und mich heuer zu Weihnachten. Wir hatten bestimmt fast zwei Jahre sehr wenig Kontakt, jetzt will sie uns sehen und ich bin nervös. Sie studiert und lebt mit ihrem Freund in einer anderen Stadt. Sie ist gescheit und hübsch und Veganerin. Ich denke mir manchmal, sie wurde bei der Geburt vertauscht. Mein Mann und ich sind einfache Leute. Wir haben alles für unsere Tochter getan aber unser Lebensstil gefällt ihr nicht. Wir rauchen beide und ein Bierchen am Abend schadet auch nicht. Ich weiß, dass sie die Nase über uns rümpft. Wir hatten deswegen immer wieder Streit. Heute war ich im Biomarkt einkaufen und hab ein Vermögen ausgegeben. Einen Christbaum besorgen wir auch, extra für sie. Am Heiligen Abend sitzen wir dann wie die Hasen da und mümmeln unsere Karotten und hören uns wahrscheinlich eine Menge Vorwürfe an.“.
„Gisela, erstmal sollten sie sich freuen, dass ihre Tochter Weihnachten mit ihnen feiern will. Ihr Besuch ist freiwillig und sie hat sicher das Bedürfnis sie zu sehen in dieser schweren Zeit. Ich höre sehr viel Liebe und Fürsorge aus ihnen heraus. Sie gehen extra in einen teuren Biomarkt einkaufen und richten alles weihnachtlich her. Ihre Tochter sollte das wertschätzen. Ich denke sie macht sich bestimmt auch Sorgen um sie beide. Sie scheint eine sehr gesundheitsbewusste junge Frau zu sein. Sie sollten stolz sein, es ist auch der Verdienst von ihnen und ihrem Mann. Gleichzeitig muss ihre Tochter aber auch das Leben ihrer Eltern akzeptieren“.
„Ja, wir streiten meistens am Telefon, weil sie uns alle Laster abgewöhnen will. Mein Mann überlässt alles mir, der hält sich aus allem raus. Ich bin nach so einer Diskussion immer völlig geschafft.“
„Ihre Tochter kann ihre eigene Meinung haben, aber sie darf sich nicht in ihr Leben einmischen. Ihr Mann und sie machen das doch auch nicht. Sie muss akzeptieren das ihre Eltern eine andere Auffassung haben. Gleichzeitig ist es wichtig, dass sie ihr nichts versprechen, was sie nicht halten können. Dann enttäuschen sie sie nur und wirken unglaubwürdig. Bleiben sie sich treu und zeigen sie ihrer Tochter wie sehr sie sie lieben. Ich bin überzeugt, dass sie einen schönen Heiligen Abend verbringen werden, trotz der Karotten“.
„Haha, ich mache einen Gemüseauflauf und mein Mann kriegt ein Schnitzel dazu. Zum Rauchen gehen wir auf den Balkon. Tief in meinem Herzen freue ich mich sehr das meine Kleine zu Besuch kommt, egal ob wir uns fetzen oder nicht“ sagte Gisela leise.
„Diese Einstellung ist genau richtig. Es wird bestimmt ein schöner Abend und wir alle dürfen nicht zu viel erwarten. Weihnachten soll ein Fest der Liebe sein und da gehört eine Menge Toleranz und Mut dazu, ich kenne das zu gut. Wir sollten es einfach feiern, wir alle haben es heuer mehr als verdient“.
„Danke Anne, das war ein nettes Gespräch, ich wünsche ihnen wunderbare Weihnachten, jetzt muss ich weitermachen sonst wird der Weihnachtsbraten welk“. Wir lachten wieder durchs Telefon.
„Liebe Gisela, das wünsche ich ihnen auch von Herzen und danke für ihren Anruf.“
Bitte lass diese nette Frau ein schönes Fest haben, betete ich im Stillen. Ich wünschte es ihr so sehr.
Ich nahm meine Kopfhörer ab und schaltete die Telefonanlage aus. Ein langer Tag ging für uns alle zu Ende.
Die Bürotür ging auf und Sandra unsere Leiterin steckte ihren blonden Kopf herein.
„Schluss für heute Ladys. Macht euch frisch, in der Teeküche wartet Glühwein und Plätzchen auf uns, heute lassen wir es krachen“.
Wir nickten alle gut gelaunt und freuten uns auf einen gemütlichen Abend mit dem ganzen Team.
Morgen warten wieder viele Seelen auf uns, die gehört werden wollen und wir werden da sein und wieder versuchen die Welt ein kleines bisschen leichter zu machen.
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Adventsbesuch aus dem vierten Stock
Hanna wachte auf. Es war ungewohnt hell in ihrem Zimmer. Sie setzte sich auf und starrte aus dem Fenster. Es hatte geschneit. Es war der dritte Advent und sie saß in ihrem Bett, in ihrem winzigen Apartment, in einer fremden Stadt. Eigentlich wollte sie nach dem Abitur eine Auszeit in Costa Rica verbringen, aber die Pandemie hatte andere Pläne und somit verließ Hanna ihr Dorf, um in die Stadt zu ziehen und zu studieren, anstatt am Strand zu liegen. Der Mensch denkt und Gott lenkt, sagte ihre Oma und recht hat sie. Ein Freund der Familie hatte ihr die Bude vermittelt. Das Haus mit seinen acht Stockwerken war anonym und manchmal etwas unheimlich. Sie sah und kannte niemanden. Die Pandemie hatte es nicht leichter gemacht. Als Landmädel war sie es gewohnt immer draußen zu sein und jeden Menschen, der ihr entgegenkam zu grüßen, jetzt wohnte sie im zweiten Stock, der Hausflur war lang und dunkel. Sie war allein zwischen lauter fremden Menschen. Ihr Studium musste sie wieder online absolvieren. Eigentlich hätte ich auch zu Haus bleiben können, ich muss mehr unternehmen, dachte sie freudlos. Gleich nach Weihnachten würde sie sich um einen Minijob kümmern und in einem Fitnessstudio anmelden, falls wieder alles möglich war.
Sie sprang aus dem Bett und schaltete das Radio ein. Weihnachtsmusik dudelte ihr entgegen und sie freute sich auf den Heiligen Abend bei ihrer Familie. Sie machte sich einen Kaffee und zündete das dritte Kerzchen am Adventsgesteck an. Sie setzte sich an ihren kleinen Tisch und fast wäre ihr die Tasse aus der Hand gefallen. Sie traute ihren Augen nicht. Auf ihrem kleinen Balkon auf dem Geländer saß ein bunter Papagei. Hanna schlich zu der Balkontür und machte sie vorsichtig auf.
„Na du, wo kommst du denn her“ sagte sie leise zu dem wunderschönen Vogel und ging langsam auf ihn zu. Dieser legte seinen Kopf schief und hüpfte dann gleich auf ihre Schulter.
„Ich nehme dich besser mal mit in die warme Stube.“ Dort angekommen flatterte das Tier auf die Lehne ihres Stuhls und sah sich neugierig um.
„Ich vermute mal du kommst direkt aus Costa Rica. Nein, du bist ausgebüxt, stimmt’s?“
„Scheiß Corona“ schrie der Vogel plötzlich und pfiff noch einen schrillen Laut hinterher.
Hanna prustete los. „Allerdings mein Freund das kannst du laut sagen, hast du ja gerade eben.“
„Wo bleibt das Bier?“ schnarrte er hinterher.
Hanna kriegte sich nicht mehr ein. Was für ein lustiger Kerl. Seinem Sprachschatz nach zu schließen stammte er von hier und da ging es wohl derb und feuchtfröhlich zu.
„Pass auf, ich denke mal du kannst nicht von allzu weit her sein, sonst wärst du schon erfroren. Ich schreibe einen Zettel und hänge ihn unten an die Pinnwand beim Hauseingang. Falls sich keiner meldet rufen wir die Polizei an. Du wirst sicher schon vermisst.“ Hanna streichelte sanft das Gefieder des Tieres und legte vorsichtshalber eine alte Zeitung unter den Stuhl. Dann lehnte sie sich nochmal über das Balkongeländer und schaute in an alle Richtungen. Alles ruhig und winterlich verschneit.
„Ich bin gleich wieder da, mein Freund, gebe nur deine Vermisstenanzeige auf“.
Hanna fuhr mit dem Aufzug ins Erdgeschoss und klebte den Zettel an die Infotafel. Schnell zurück in die Wohnung, ihr Gast hatte bereits seine Äuglein geschlossen und machte einen recht entspannten Eindruck. Sie schoss ein paar Fotos von ihm und postete die Bilder gleich in die Familien-WhatsApp-Gruppe. Grüße aus Costa Rica, schrieb sie dazu.
Den ganzen Vormittag kommunizierte sie mit ihrer Mutter und Schwester und beobachtete nebenbei das herrliche Tier. Sie bot ihm eine Apfelspalte an und diese wurde gleich gekrallt und verspeist.
„Wo bleibt das Bier?“. Es war wirklich zum Schießen und so verging recht vergnügt der dritte Advent.
Am Nachmittag klingelte es an der Haustüre. Hanna sah durch den Spion und erblickte einen jungen Mann mit blonden Strubbelhaaren. Sie öffnete vorsichtig.
„Hi, ich bin Jonas Bender aus dem vierten Stock und ich denke mein Mitbewohner Max ist bei dir zu Besuch?“
„Wenn er Federn hat bist du richtig. Komm rein.“ Hanna ließ den hübschen jungen Mann in ihre Wohnung, natürlich mit Abstand. Der steuerte gleich auf den Papagei zu und streichelte ihm über das Köpfchen.
„Darf ich vorstellen, Max ein Ara, fünf Jahre alt und Jonas dreiundzwanzig Jahre alt.“
„Hanna, zwanzig Jahre alt, keine Kinder, keine Haustiere“ grinste sie zurück und ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer. Jonas war ein netter Typ, schlank, groß mit einem frechen Grinsen im Gesicht.
„Ich war so erleichtert, als ich deine Info gelesen habe. Max gehört meinem Mitbewohner und der Knallkopf hat im Bad gelüftet und ist dann weggefahren und hat das Fenster offen gelassen. Max ist raus geflogen, er hat das schon ein paar Mal gemacht, im Sommer meistens und ist gleich in den Baum gegenüber geflattert. Er kommt immer wieder zurück, aber wenn er so eine charmante Einladung bekommt, dann versteh ich ihn, dass er noch bleiben wollte. Du hast ihn vorm Kältetod gerettet“.
„Gerne, ich dachte ich sehe nicht richtig, das war echt eine Adventsüberraschung. Sein Wortschatz ist auch köstlich“ Hanna kitzelte Max am Bauch:
„Pizza, Pizza“ antwortete Max und Hanna und Jonas lachten.
„Naja Männerhaushalt du verstehst, da kriegt er so einiges an Ausdrücke mit. Ich hoffe aber er war insgesamt anständig?“
„Ja vorbildlich, er hat mir den Tag gerettet. Ich wohne noch nicht lange hier und kenne kaum jemanden. Es war sehr nett mit Max. Möchtest du einen Tee?“ fragte Hanna und hoffte die beiden würden noch etwas bleiben.
„Ich muss noch was erledigen, aber wie wäre es denn, wenn du am Abend zu uns hochkommst? Ich mache Pizza und es gibt Bier. Dann führe ich dich mal in die Hausgemeinschaft ein und wir können in Ruhe ratschen? Als Dankeschön für deine Rettung von Max dem Flüchtling.“
„Sehr gerne und ich bringe Plätzchen mit und einen Glühwein, alles selbstgemacht von zu Hause“. Jonas schnalzte und Max hüpfte auf seinen Arm.
„Perfekt, ich freue mich, dann bis 19.00, ok?“ Hanna nickte und begleitete die beiden zur Türe.
Jonas sah Hanna tief in die Augen.
„Max hat wirklich Geschmack und hat sich die richtige Bleibe rausgesucht. Ich freue mich sehr, dich kennen gelernt zu haben, liebe Hanna.“ Jonas zwinkerte ihr zu und Hannas Herz machte wieder einen Hüpfer.
Wow, was für ein Tag. Hanna tanzte mit „Let it Snow“ durch ihr kleines Apartment und konnte es nicht fassen, was ihr heute alles passiert war. Sie hatte Besuch von einem Papagei aus dem vierten Stock und dadurch einen super netten Typen kennengelernt und gleich noch eine Einladung zum Abendessen bekommen. Das war wie Weihnachten und Ostern zusammen. Sie spürte, dass eine gute Zeit auf sie zukam und plötzlich vermisste sie keinen Strand mehr und freute sich auf den Abend, auf Weihnachten und auf alles was noch kommen mag.
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Ein Eichhörnchen schenkt Weihnachtsfreude
Eine alte einsame Frau fürchtete sich dieses Mal vor Weihnachten. Da kamen die Leere und ihre Einsamkeit besonders zum Vorschein.
An diesem Tag waren aber alle Menschen freundlicher, geselliger und die Vorfreude auf das Fest strahlte in ihren Gesichtern. Sie feierten zusammen den Heiligen Abend. Die alte Frau sog diese Stimmung in sich auf, bei Einkaufen am tief verschneiten See wenn die Kinder Schlittschuh liefen und in der Weihnachtsmesse am Nachmittag mit dem Krippenspiel. Da fühlte sie sich zugehörig und wahrgenommen, nicht lästig oder im Weg. Sie wurde gegrüßt und kleine Worte wurden gewechselt und der Vermieter brachte eine Flasche Wein vorbei und wünschte ein gesegnetes Fest.
Die alte Frau spürte dass es ihr letztes Weihnachtsfest sein wird. Sie wollte es sich deshalb besonders schön machen und gönnte sich mit ihrer kleinen Rente einen Weihnachtsbaum. Der war nicht groß, ein wenig krumm aber herrlich dicht und grün. Sie holte aus dem Keller ihren alten Weihnachtsschmuck und stellte den Baum vorsichtig in den verschrammten Ständer neben ihrem Schaukelstuhl.
Da kann ich ihn am besten bewundern, freute sie sich. Der Christbaumschmuck weckte Erinnerungen und ließ ihre Augen feucht werden.
Sie hatte frische Walnüsse gekauft und mit Häkchen versehen und bunten Bändern. Diese hängte sie zu den roten Kugeln und Lametta. Ihre Mutter hatte immer Walnüsse an den Baum gehängt und die Kinder durften diese dann zusammen mit den roten Äpfeln verspeisen. Wie fröhlich wir waren. Ich habe schon lange nicht mehr gelacht, dachte sie traurig.
Als sie fertig war, bekam sie Rückenschmerzen und setzte sich in ihren Schaukelstuhl. Vorher öffnete sie das Fenster einen Spalt um frische Luft herein zu lassen. Wie schön er aussieht, wenn ich später die Kerzen anzünde wird es richtig gemütlich und festlich sein.
Sie schloss die Augen und machte ihr wohlverdientes Nickerchen.
Draußen auf dem Kastanienbaum vor dem Fenster saß schon eine Weile ein braunes Eichhörnchen. Neugierig beobachtet es das Treiben der alten Frau. Diese hängte Futter auf den Baum und das in rauen Mengen. Das freche Hörnchen konnte es nicht fassen. Nüsse gehören in den Magen oder unter die Erde und nicht auf eine Tanne.
Als sich die sonderbare Frau nicht mehr rührte, sprang das Hörnchen zum Fenster und lugte in das Zimmer. Der Baum war das reinste Schlaraffenland. Es huschte über die Fensterbank und schlich vorsichtig zu der geschmückten Tanne. Zart biss es in eine Nuss und zog daran. Ein bisschen Intelligenz und Pfötchengefühl später und der kleine Dieb hatte die prächtige Nuss in seinem Besitz. Lautlos huschte das kleine Hörnchen zurück auf den Baum, knackte die Nuss und ließ sie sich schmecken.
Sofort danach das gleiche Spiel. Nuss stehlen, gleich fressen oder verbuddeln. Bei diesem Angebot durfte man schlemmen und gleichzeitig die Speisekammer auffüllen. Die alte Frau wachte auf und machte langsam die Augen auf. Gleich erkannte sie nicht den Unterschied aber nach einer Minute sah sie mit Erstaunen das die Hälfte der Walnüsse auf dem Christbaum weg waren. Na so was? Ich habe doch alles schön verteilt. Sie sah unterm dem Baum aber keine Nuss war heruntergefallen.
Ich werde eben auch senil, dachte sie.
Sie setzte sich wieder in den Stuhl und dachte nach. Plötzlich sah sie einen Schatten am Fenster und dann das kleine Eichhörnchen. Es schlich von der Fensterbank direkt zum Baum und stahl die nächste Nuss. Das Hörnchen war so in seinem geschäftigen Trott dass es die Frau gar nicht beachtete. Die alte Frau traute ihren Augen nicht. Das war doch unglaublich. Dieses kleine freche Kerlchen stahl ihr den Christbaumschmuck und hatte anscheinend kein bisschen Angst oder schlechtes Gewissen.
Als das Hörnchen die Nuss in seinen Pfötchen hielt und dreist herüber sah, konnte sich die alte Frau nicht mehr zurückhalten und lachte so laut los dass der kleine Frechdachs völlig entsetzt das Weite suchte. Sie lachte und lachte und konnte nicht mehr aufhören. Die Tränen liefen ihr über die runzeligen Wangen.
Das ist das schönste und lustigste Weihnachtsfest das ich je hatte.
Sie klatschte in die Hände und freute sich wie ein Kind.
Es war bereits dunkel und sie zündete schnell die Kerzen an. Dann nahm sie eine Handvoll Nüsse und legte sie draußen auf das Fensterbrett.
Fröhliche Weihnachten mein kleiner Freund, rief sie in den Kastanienbaum. Komm her und hol dir deine Geschenke. Du hast mir soviel Freude beschert dass werde ich dir nie vergessen.
Als die alte Frau vergnügt auf ihren herrlichen Baum sah und leise ein altes Weihnachtslied summte, sah sie das kleine Eichhörnchen auf der Fensterbank sitzen und hereinschauen. Sie fühlte dabei so viel Freude in sich und die Einsamkeit war fort. Vielleicht mag es ja auch andere Leckereien, gleich nach den Feiertagen werde ich Futter kaufen und mal schauen ob es wieder kommt.
Sie war plötzlich überrascht über diesen positiven Gedanken der ein bisschen nach Zukunft roch und dankte Gott für dieses kleine Geschöpf dass ihr wieder Lebensfreude gegeben hatte.
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Wunderbar vorgelesen von Susanne Lindenthal:
https://youtu.be/IzBTkXKtGS8
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„Haarmonische“ Weihnachtsbegegnung
„Tina?“ Ich schaute auf und erkannte meine Kusine sofort.
Sie war kleiner als ich, zierlich und sehr gut gekleidet, eine attraktive Frau mit blondem Bob, der im künstlichen Licht glänzte. Mitten in einem riesigen lauten Kaufhaus, im Gedränge, drei Tage vor Weihnachten, am Wühltisch mit allerlei Weihnachtszeug stand sie da und sah mich an. Wir verharrten in unseren Blicken und konnten es wohl beide nicht fassen uns nach fast 20 Jahren wieder zu sehen. Einfach so, hier in diesem Adventschaos, in unserer Stadt, in der wir beide aufwuchsen.
„Julia“ sagte ich überrascht und ich dachte mir in diesem Moment, ob sie gleich Anlauf nimmt und über den Tisch hechtet, um mich an Ort und Stelle zu erwürgen.
„Ich habe dich gleich wieder erkannt. An deinen Haaren“, sagte sie und lächelte.
Als ich sechszehn Jahre alt war, verunglückten meine Eltern auf der Autobahn. Mein Vater übersah beim Überholen einen Transporter und beide waren auf der Stelle tot. Ich stand plötzlich allein da. Ich zog zu der Schwester meine Mutter, die mit meinem Onkel und meiner Kusine im selben Stadtviertel lebten. Wir hatten vorher wenig Kontakt. Mein Onkel war ein herzensguter Mann ohne Rückgrat, meine Tante das Gegenteil meiner Mutter. Eitel, oberflächlich mit wenig Tiefgang. Diese Eigenschaften hatte sie erfolgreich an ihre Tochter weitergegeben und nicht nur das. Julia hasste mich vom ersten Moment an. Sie war verwöhnt, herrisch und hysterisch. Sie trug ihre blonden Haare bis zum Po, ihr ganzer Stolz. Sie wollte Model werden oder Designerin, am besten beides. Sie war neidisch, selbstsüchtig und sie machte mir das Leben zur Hölle. Tägliche Gemeinheiten, Lästereien in der Schule über mich, Unterstellungen, Behauptungen usw. Ich musste mich ständig rechtfertigen, entschuldigen, verteidigen.
Sie hortete eine Mädchenschar um sich, die sie bewunderten und hinter ihr her liefen wie hörige Hühner. Ich durfte nicht bei den „Mädels Abende“ dabei sein, keine Schönheitsnachmittage mitmachen, wurde nicht eingeladen zu Partys. Nicht das mich das gestört hätte, ich war zu dieser Zeit wenig kommunikativ, schüchtern und mürrisch. Ich fühlte mich verlassen und war traumatisiert. Im Nachhinein wusste ich, warum Julia unter anderem so reagierte. Sie war eifersüchtig, weil ihr Vater mich mochte und sie sah bereits etwas in mir, was ich zu der Zeit nicht erkannt. Ich hatte das gewisse Etwas, was ihr komplett fehlte. Ich war dünn, groß und hatte lange Beine, viele Sommersprossen, lange rote Locken und hellblaue Augen. Ich fiel positiv auf und das war ihr Problem.
Letztendlich waren wir nur dumme Teenager und statt zusammenzuhalten führten wir einen erbarmungslosen Krieg. Schuldlos war ich sicher auch nicht an dem Ganzen.
Ich wusste nicht mehr genau, wann mein Tag X kam, es war einfach ein Gefühl, dass mich handeln ließ. Ich musste etwas ändern. Als ich mit einer Freundin in einem Tanzcafé war, sprach mich eine Fotografin an. Sie meinte ich hätte das Zeug zum Modeln und ich soll mich bei ihrer Agentur melden. Ich steckte die Visitenkarte in meine Jeans und besiegelte damit meine Karriere.
Heimlich ließ ich mich bei der Agentur unter Vertrag nehmen. Ich war gerade Achtzehn geworden, hatte das Abitur in der Tasche und musste niemanden mehr fragen. Ich hätte einfach gehen können, aber ich wollte noch ein kleines Andenken hinterlassen für meine Kusine.
Julia pflegte ihre Haare mit den teuersten Produkten die Mama finanzierte. Im Bad standen unzählige Tiegel und Tuben. Am Freitag war wieder Schönheitsnachmittag angesagt. Die dummen Puten kamen zu uns und im Bad wurde gecremt, gesalbt und gepflegt. Meine Tante kaufte zu diesem Anlass eine sündhaft teure Haarpackung und diese wurde von meinem Kusinchen in ihre Haarpracht aufgetragen und einmassiert. Ich saß bereits mit meiner gepackten Tasche in meinem Zimmer und hörte durch die Wand das Kichern und Gaggern.
Nach einer guten halben Stunde Einwirkzeit der Haarpackung kam der erwartete gellende Schrei. Ich rannte aus meinem Zimmer, meine Tante schoss die Treppe hoch. Im Flur stand meine zitternde Kusine, das blanke Entsetzen in ihren Augen und die Erkenntnis, als ich ihr gegenüberstand, dass ich daran schuld war. Einen kurzen Moment tat sie mir echt leid. Kahlköpfig, die blonde Pracht lag auf dem Badezimmerboden verteilt. Den Hühnern stand der Mund offen und meine Tante fiel in Ohnmacht.
Die Enthaarungscreme hatte ihre Aufgabe erfüllt. Das Umfüllen war eine Herausforderung, ich durfte den Duft der Creme nicht verändern. Aber es fiel wohl niemanden auf. Ich sagte nur „Ups“ und verließ das Haus. Ich konnte vorübergehend bei einer Freundin unterschlüpfen und verließ nach ein paar Tagen die Stadt zu meinem ersten Auftrag und wurde ein recht erfolgreiches Model. Ich schrieb meinem Onkel einen Brief und bedankte mich bei ihm und startete in mein neues Leben.
„Du wohnst wieder hier?“ Julia kam näher auf mich zu. Noch konnte ich flüchten, aber ich blieb tapfer stehen und rechnete mit allem.
„Ja, seit ein paar Monaten. Ich habe genug vom Rumreisen.“ Ich hielt weiter Blickkontakt mit ihr.
Wir standen uns jetzt direkt gegenüber und alles war so surreal.
„Komm, lass uns einen Kaffee trinken gehen? Hast du Zeit, Lust?“ sagte sie plötzlich, ich nickte überrascht und wir verließen gemeinsam das Kaufhaus.
Wir gingen ins „Zauberhaft“, damals und heute unser Lieblingscafé. Es war ruhig und schön weihnachtlich dekoriert. Wir bestellten Kaffee und sahen uns ungläubig an. Julia räusperte sich.
„Lass mich anfangen. Ich wollte nach dem Abi Modedesign studieren. Dann bin ich erstmal mit Bine nach Griechenland und später nach Spanien. Ich habe dort einen Österreicher kennengelernt und bin mit ihm nach Wien gezogen. Seine Eltern hatten ein Restaurant und ich habe dort eine Ausbildung gemacht. Nach fünf Jahren war Schluss und ich bin wieder nach Hause. Ich habe mich im Hotel „Wohlleben“ beworben und arbeite dort mittlerweile als Restaurantleiterin. Ich bin verheiratet, übrigens mit Robert, du erinnerst dich sicher an ihn und habe einen Sohn, Tom. Ich wohne im gleichen Viertel wie meine Eltern. Meine Mutter ist wie immer, du kennst sie ja. Papa ist vor 15 Jahren ausgezogen und lebt in der Schweiz mit einer neuen Frau. Ich bin zufrieden und meine Frisur gefällt mir.“ lachte sie trocken. Sie hatte feine Fältchen um die Augen und sah einfach großartig aus. Ich musste grinsen.
„Ich bin nach meinem Auszug bei euch nach Berlin und hatte mein erstes Fotoshooting. Danach gings Schlag auf Schlag. London, Rom, Paris, New York. Ich habe viel gearbeitet und viel erlebt. Es war wie in einer anderen Welt und leider auch sehr oberflächlich. Ich hatte ein paar Beziehungen, momentan bin ich ohne Partner. Ich habe mir hier am Stadtrand ein kleines Haus gekauft. Ich habe zwei Katzen und einen Hund und will einfach nur zur Ruhe kommen. Ich arbeite freiberuflich in der Agentur, die mich entdeckt hatte als Bildbearbeiterin.“ beendete ich meinen Bericht.
„Du bist aus der Oberflächlichkeit meiner Familie in die nächste gerutscht und ich entschied mich für ein doch recht konservatives Leben. Ist das nicht verrückt?“ Julia schüttelte den Kopf und ich stimmte ihr zu. Wir beide hatten die Rollen vertauscht.
„Hör mal Tina, wir haben uns getroffen und wir reden zusammen wie normale Menschen. Das ist kein Zufall meinst du nicht? Wir sollten es als Chance sehen. Hast du Weihnachten schon was vor? Ich liebe es zu kochen und Weihnachten ist mir sehr wichtig mit der Familie. Willst du nicht mit uns feiern?“ Julia schaute mich fragend an. Sie meinte es ernst und ich sagte zu. Wir tauschten unsere Nummern und als wir das Lokal verließen konnte ich mir es nicht verkneifen.
„Du hast Robert Wenger geheiratet? Ich kanns nicht glauben.“ Robert war ein netter, stiller Typ, der Julia anhimmelte seit ich denke konnte und sie hatte ihn nur verachtet.
„Er ist das beste was mir passieren konnte in meinem Leben“ sagte sie stolz.
Als ich zu Hause freudig von meinen Tieren begrüßt wurde setzte ich mich erstmal auf mein Sofa und begann mein Erlebnis zu verdauen. Julia war wieder in mein Leben getreten und wir haben das erste Mal ein vernünftiges Gespräch geführt. Sie war so ernsthaft geworden und sehr sympathisch. Ich freute mich fast auf das Treffen mit ihr und der Familie. Es war spannend und aufregend. Es war eine Chance? Vielleicht ja. Weihnachten war perfekt dafür und ich war grundsätzlich ein verzeihender Mensch. Ich vermisste auch eine Familie, immer wieder und immer noch.
Am späten Nachmittag des Heiligen Abend klingelte ich mit Herzklopfen an der Türe des schicken Einfamilienhauses und Julia machte auf mit erhitztem Gesicht und bunter Schürze. Sie wedelte mit der Hand.
„Komm rein, schön, dass du pünktlich bist, es gibt gleich Essen. Tom will immer danach die Bescherung“.
Sie führte mich in ein gemütliches Wohnzimmer mit Christbaum und festlich gedeckter Tafel. Robert, sehr angenehm und gut aussehend, lachte und drückte mich herzlich, er fand die ganze Situation köstlich und freute sich wirklich mich zu sehen. Der achtjährige Tom war ein netter kleiner Kerl mit blonden Strubbelhaaren. Meine Tante, gealtert mit ordentlicher Nachhilfe im Gesicht kam aus der Küche und auch sie umarmte mich. Ich drückte sie ebenfalls und meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich vergab und mir wurde vergeben, das fühlte ich.
Wir verbrachten einen schönen Abend zusammen. Ich erfuhr vieles und erzählte aus meinem Leben und mir wurde zugehört. So hätte ich es mir all die Jahre gewünschte, dachte ich und jetzt passierte es. Einfach so.
Nach Mitternacht wollte ich mich verabschieden, aber Julia hielt mich zurück. Der Rest der Familie hatte sich schon verabschiedet und wir beide setzten uns zum Christbaum und schauten in die funkelnde Farbenpracht.
„Danke, dass du heute gekommen bist. Ich weiß es zu schätzen und auch Mama ist glücklich. Wir haben dich, außer Papa, nicht nett behandelt. Ich möchte mich entschuldigen bei dir. Nein, lass mich ausreden. Ich wollte dir oft schreiben, ich googelte dich regelmäßig und hab dein Leben verfolgt, deine Fotos angeschaut. Als du gegangen bist wusste ich was ich dir angetan hatte. Ich hatte es verdient, obwohl es wirklich heftig für mich war. Die erste Zeit mit Perücke und Kopftüchern war nicht schön, als die ersten Stoppeln kamen wurde es leichter. Mit meinen Haaren wuchs auch mein Verstand und ich machte echt eine Wandlung durch. Ich sortierte meinen Freundeskreis neu und wurde ein netterer Mensch. Mein Leben hat genau deswegen diese Richtung genommen und das war auch dein Verdienst, dass es mir jetzt so gut geht. Klingt das sehr kitschig?“ Julia strich ihren Rock glatt und sah mich an.
„Nein, ist es nicht, weil ich es spüren und sehen kann. Ich habe mir so oft gewünscht, dass wir uns wieder mal begegnen. Bestimmt bin ich auch deswegen wieder hierher gezogen. Ich wollte dir und deiner Familie noch so viel sagen. Es ist einfach alles schief gegangen damals. Ich habe dir was Schlimmes angetan, es tut mir entsetzlich leid, das musst du mir glauben“.
Wir umarmten uns vorsichtig. Es war still im Raum, nur die Kerzen knisterten.
„Ich habe noch was für dich“, sagte Julia und zog ein kleines verstecktes Päckchen unter dem Christbaum hervor. „Ich wollte es dir allein geben, nur ein kleines Geschenk.“ Sie überreichte es mir. Ich holte meine Handtasche vom Sofa und gab ihr mein Geschenk. Ich hatte es gestern noch schnell gekauft, für alle Fälle.
„Das ist für dich, ich hoffe es gefällt dir.“ Ich übergab es ihr. Wir sahen uns an und dann zerrissen wir die Verpackungen auf wie wir es früher als Kinder gemacht hatten und als wir sahen was wir uns schenkten kam endlich der erlösende Moment.
Wir kreischten los und hielten uns in den Armen und konnten nicht mehr aufhören zu lachen. Wir hatten uns gegenseitig eine Haarkur geschenkt. Fast identisch, herrlich duftend und pflegend mit langer Einwirkungszeit.
„Du weißt, dass ich sie nie hernehmen werde. Sie kommt auf meinen Schreibtisch als Andenken.“ lachte ich und Julia stimmt mit ein.
„Vielleicht besser so,“ sagte sie verschmitzt, „meine kommt auch auf meinen Schreibtisch und da bleibt sie. Hoffentlich für immer?“ Sie sah mich mit ihren blauen Augen fragend an.
„Ja für immer. „sagte ich laut und das meinte ich auch so.
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Mein Kind, glaube, liebe und hoffe
Laura liebte Weihnachten. Sie fuhr über die Feiertage von der Großstadt aufs Land und besuchte ihre Eltern. Es gab einen wunderbaren Christbaum, selbstgebackene Plätzchen und einen Festtagsbraten.
Am Heiligen Abend feierte die Familie im kleinen Kreis, am ersten Weihnachtsfeiertag kam dann Lauras Freund dazu und ihre Tante. Besonders freute sich Laura, dass ihre hochbetagte Großmutter auch mitfeiern konnte. Sie wurde einen Tag vor Weihnachten aus dem Pflegeheim abgeholt und nach den Feiertagen wieder zurückgebracht. Die Oma war gebrechlich aber noch bei sehr klarem Verstand. Ihre kleinen süffisanten Kommentare brachten ihre Enkelin immer wieder zum Schmunzeln. Man konnte sich sehr gut mir ihr unterhalten und die alte Dame war immer noch sehr interessiert und informiert. Sie hatte schlohweißes Haar und verschmitzte blaue Augen.
Als Laura sie umarmte spürte sie jeden Knochen der alten Frau. Sie wurde auf einen bequemen Lehnstuhl gesetzt und dirigierte die gesamte Familie von dort aus durch die Feiertage. Hauskatze Kitty setzte sich allzu gerne auf den Schoß der Oma und schnurrte vor sich hin.
Es war heimelig, gemütlich und festlich und Laura genoss diese Stimmung in vollen Zügen.
Als die Familie am Heiligen Abend gegessen hatte, wurde der Christbaum erleuchtet, gesungen und kleine Geschenke verteilt. Später gab es Rumpunsch und alle redeten und lachten bis nach Mitternacht.
Später telefonierte Laura noch kurz mit ihrem Freund und ging dann mit Kitty in ihr Jugendzimmer und legte sich müde in ihr altes Bett. Nach einer halben Stunde kratzte Kitty an die Tür, welche Laura versehentlich zu gemacht hatte. Die Katze wollte wohl ihren Rundgang ums Haus machen. Laura ließ sie raus und hörte ein leichtes Husten im Wohnzimmer. Leise schlich sie durch den Flur. Die Oma saß immer noch in ihrem Lehnstuhl mit einer Wolldecke um die Beine. Kitty war auf ihren Schoß gesprungen und rollte sich dort ein.
„Oma, was machst du denn noch hier? Willst du nicht ins Bett?“ fragte Laura überrascht.
„Ach Kind, schau wie schön es hier ist, der wunderbare Baum, ich schwelge in Gedanken. Alles ist gut mein Schatz, ich werde hier schlafen“ sagte die alte Dame resolut.
Laura setzte sich ihrer Oma zu Füssen. Diese war stur, wie immer und duldete keine Widerrede.
Beide bewunderten eine Weile den geschmückten Baum. Das Holz im Kamin knisterte.
„Diese roten Kugeln da, siehst du sie, die hat mir dein Opa geschenkt, als wir 2 Jahre verheiratet waren. Ich liebe Glaskugeln und diese sind besonders schön. Wir mochten beide Weihnachten und hatten immer versucht einen ordentlichen Christbaum zu haben, bei aller Not, die sonst herrschte“.
Laura wusste, dass die Oma ihrer Tochter ihren wohlgehüteten Weihnachtsschmuck übergeben hatte, bevor sie ins Heim musste.
„Oma, wenn du dein Leben nochmal leben könntest, was würdest du alles anders machen?“
„Ich würde meine Zähne besser pflegen“, sagte die Oma und Laura musste lachen.
„Ach, wahrscheinlich habe ich mir immer zu viele Gedanken gemacht für nichts. Ich habe den Krieg überlebt, meinen Johann geheiratet und meine Tochter bekommen. Das Geld hat hinten und vorne nicht gereicht und wir mussten auf vieles verzichten. Ich wollte aber auch nie nach den Sternen greifen. Die meisten meiner Ängste sind nicht eingetroffen und trotz aller Sorgen ist es doch im Laufe der Jahre immer besser geworden. Ich hatte ein gutes Leben und wenn es vorbei ist, dann bereue ich nichts.“
„Das ist doch schön. Hast du Angst vor dem Tod und denkst du es geht danach weiter irgendwie?“ Laura sah zu ihrer Oma und diese lächelte vor sich hin.
„Vor dem Tod habe ich keine Angst. Vor dem Sterben eher, ich hoffe, dass es schnell geht. Wehe ihr macht eine öde Trauerfeier für mich. Ihr sollt eine Party schmeißen und lachen und trinken, das müsst ihr mir versprechen!“
Laura schüttelte den Kopf. „Oma, du immer. Aber wenn du es so willst, dann machen wir das. Dein Wunsch ist Befehl“.
„Ich bitte darum. Zu deiner anderen Frage. Als Christin müsste ich jetzt sagen, ja es gibt ein Leben nach dem Tod. Ob ich auf einer Wolke sitzen werde oder im Paradies wandle, ich weiß es nicht. Alles ist möglich oder auch nichts. Am liebsten würde ich mein Leben nochmal träumen dürfen. Oder Zeitreisende sein. Ich würde überall hinfliegen in die Vergangenheit und Zukunft und mir alles anschauen was war und noch kommen wird. Vielleicht sind die Toten auch erstmal nur tot und Gott wird uns alle aufwecken und uns gehörig den Kopf waschen. Verdient hätten wir es“.
Laura streichelte Kitty nachdenklich über das weiße Köpfchen.
„Ich habe schon Angst vor der Zukunft. Alles geht den Bach runter. Die Pandemie, der Krieg, die Umweltverschmutzung, der Klimawandel. Überall Bedrohungen. Irgendwie macht nichts mehr so richtig Spaß und ich habe bei allem was ich mache ein schlechtes Gewissen.“
Oma fasste Laura unters Kinn und sah ihr dabei fest in die Augen.
„Laura, ich verstehe deine Ängste und wir alle gehen wirklich nicht nett um mit unserer Erde. Eure Generation braucht sehr viel Mut die Dinge in die Hand zu nehmen und es vielleicht besser zu machen. Schau, wir wissen alle nicht, warum wir hier sind und was der Sinn darin ist und welche Aufgabe wir eigentlich hier haben. Glaube, Liebe, Hoffnung. Das ist das wichtigste im Leben, mein Kind. Glaube an das, was dir am meisten hilft und es wird dich durch dein Leben tragen. Liebe dich selbst und liebe die Menschen, die dir gut tun und höre niemals auf zu hoffen, hörst du? Niemals. Die Hoffnung ist ein Anker, der dich hält bei allen Stürmen, die auf dich zukommen werden und es werden viele sein. Jede Generation hat ihre Kriege und trotzdem geht es weiter. Wenn du selbst mal eine Oma bist, dann möchte ich, dass du deinen Enkeln genau das gleiche sagst, denn es wird genauso passend sein wie jetzt, weil wir alle Menschen sind und leider auch immer menschlich handeln werden. Der eine versteht es besser, der andere schlechter. Das allein ist unsere Schuld, nicht mehr und nicht weniger.“
Laura umarmte ihre Oma. Sie spürte, dass die alte Frau langsam müde wurde.
„Ich danke dir für das schöne Gespräch und ich freue mich so, dich zu kennen und bei mir zu haben. Ich gehe jetzt ins Bett und morgen gibt es ein Festessen und wir lassen es richtig krachen.
Ich habe dich sehr lieb.“
„Genauso machen wir das, mein Schatz, schlaf gut und bis morgen“.
Laura gab der Oma noch einen Kuss auf die faltige Wange und streichelte nochmal Kitty, die fest schlief.
Sie ging leise zurück in ihr Zimmer und legte sich ins Bett.
Sein Leben nochmal träumen dürfen. Zeitreisende sein, Glaube, Liebe und Hoffnung. Was für schöne Gedanken.
Laura war sehr dankbar für diese Unterhaltung, die sie mit ihrer Oma führen durfte in dieser stillen Nacht und sie schlief mit mehr Zuversicht im Herzen ein.
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Wunderbar vorgelesen von Angelika Högn, vielen lieben Dank.
https://youtu.be/ylA6spahOms
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Eine Schatzkiste voller Erinnerungen
Jürgen ließ sich gegenüber seiner zwei Schwestern auf den freien Stuhl plumpsen.
„Sorry Mädels, ich war noch auf dem Friedhof und wer ist gleich hinter einem Grabstein hervorgesprungen und hat mir ein Ohr abgekaut“?
„Frau Seliger“, lachten Silvia und Brigitte unisono.
„Wobei springen wohl nicht der richtige Ausdruck ist. Die alte Lady ist mit ihrem Rollator und Dackel Peppi auf mich zugerollt und schon war ich in ihren Fängen.“
Jürgen bestellte sich bei der jungen Bedienung einen Cappuccino und Lebkuchenschnitten.
Die drei Geschwister trafen sich jedes Jahr eine Woche vor Weihnachten in ihrem Lieblingscafé, um die Planung der Feiertage zu besprechen. Jeder kam aus einer anderen Ecke der Stadt. Hier war es gemütlich und festlich geschmückt und stimmte damit alle Gäste auf das kommende Fest ein.
Es roch wunderbar nach selbstgebackenen Plätzchen und Glühwein. Ein schöner Ort zur Adventszeit.
„Ich habe sie auch vor zwei Wochen getroffen, als ich das Adventsgesteck auf das Grab gestellt habe. Sie meinte gleich, dass Rot und Gold die Lieblingsfarben von Mama waren.“ Brigitte nippte an ihrem Tee. „Sie erinnerte sich auch daran, dass Papa immer eine Stechpalme mit kleinen Glaskugeln am 1. Adventssonntag ans Fenster stellte, da ist es mir auch wieder eingefallen, er liebte Stechpalmen“.
Frau Seliger und ihr Mann wohnten direkt gegenüber den Geschwistern und ihren Eltern und gehörten zur kleinen Einbahnstraße wie der Topf zum Deckel. Als die drei noch Kinder waren, bekamen sie immer Süßigkeiten geschenkt und Hr. Seliger zeigte ihnen sein Aquarium. Als dieser später starb, zog Frau Seliger in ein betreutes Wohnheim.
Da waren die Eltern der drei schon verstorben und das Haus verkauft.
Wenn man was erfahren wollte, dann musste man nur bei den beiden klingeln. Sie waren eine Institution in der Wohngegend. Freundlich, neugierig und immer gut informiert. Besonders Frau Seliger war eine richtige Quasselstrippe und eilig durfte man es nicht haben, wenn man ihr begegnete. Damals wie heute.
Silvia dachte nach. „Ja, stimmt und als ich sie im Herbst traf beim Grab gießen erzählte sie mir, dass wir immer am Heiligen Abend draußen im Garten Lieder gesungen haben und sie mit gesummt hatte. Papa hat dirigiert und Mama hat Flöte gespielt. Die Seligers haben alles mitverfolgt und uns dann applaudiert.“
„Sie erinnerte mich heute auch noch, dass sie oft einen Kuchen nach Mamas Rezept gebacken hat, Mandarinen-Kokoskuchen. Jedes Mal, wenn sie in den Kuchen gebissen hat, dann dachte sie an Mama die mit ihrer roten Schürze mit den gelben Punkten bei ihr geklingelt und ihr ein paar Stücke rübergebracht hatte. Die vielen Rezepte hat Mama irgendwann Frau Seliger gegeben, weil wir sie nicht wollten. Mensch, der Kuchen war traumhaft. Ich kann ihn förmlich riechen.“
Jürgen verzog das Gesicht. „Ich krieg ein schlechtes Gewissen. Schon erstaunlich was sie noch alles weiß, sie hat ein grandioses Langzeitgedächtnis.“.
„Sie weiß so viel über unsere Eltern was wir schon längst vergessen haben oder was uns aktuell eben nicht interessiert hat. Dann sterben die Eltern und wir können niemanden mehr fragen. Frau Seliger ist eine Zeitzeugin, eine Schatzkiste voller Erinnerungen und Mama mochte sie sehr“ seufzte Brigitte und ihre Geschwister nickten nachdenklich.
„ Wir sollten ihr besser zuhören und nicht flüchten. Wer weiß, was sie noch alles auf Lager hat. Sie ist einsam und auf dem Friedhof trifft sie alle möglichen Leute. Sie zeigte mir unser kleines Bild, sie hat es in ihrem Geldbeutel, da waren wir drei drauf mit den Seligers. Papa hatte das Foto gemacht. Wir schauten so fröhlich aus, du Brigitte mit Zahnlücke und Bruderherz du mit verschmierten Marmeladenbrotgesicht. Das ist doch sehr berührend, oder?“ fragte Silvia leise.
Die Seligers waren kinderlos, aber immer mit einem Dackel als Haustier ausgestattet und freuten sich sehr, wenn Besuch kam von all den Kindern in der Siedlung.
Die Geschwister aßen still ihre Plätzchen und jeder hing kurz seinen Gedanken nach. Die Zeit vergeht so schnell, jeder hetzt durchs Leben Richtung Zukunft. Die Vergangenheit schwindet, irgendwann bekommt man keine Antwort mehr auf seine Fragen, weil niemand mehr da ist, der sie beantworten kann.
„Mir kommt gerade so eine Idee. Ich weiß, dass Frau Seliger ein bisschen anstrengend ist, aber mir tut sie auch leid, weil sie allein ist und gerne Unterhaltung hat. Wer weiß wie lange sie noch in der Lage ist, uns auf dem Friedhof heimzusuchen. Was haltet ihr davon, wenn wir sie am zweiten Weihnachtsfeiertag einladen. Diesmal richte ich den Weihnachtstreff aus. Mein Haus liegt nicht weit weg von dem Heim. Was meint ihr?“ fragte Brigitte in die Runde.
Ihre Geschwister nickten. „Guter Vorschlag, das machen wir.“ Jürgen rollte kurz die Augen und grinste. „Ich muss nur noch meine Liebste vorwarnen, dass mich die alte Dame in die Backe kneifen wird, wie groß und stark ich geworden bin“.
„Du und stark, dass ich nicht lache“ konterte Brigitte. „Wir rufen sie gleich hier an, ich weiß das sie in der Seniorenresidenz „Sonnenschein“ lebt“.
Brigitte rief mit ihrem Handy die Zentrale an und ließ sich auf das Zimmer von Frau Seliger verbinden. Sie hatten Glück, die Dame war zu Hause.
„Ja Seliger“ rief sie in den Hörer.
„Hallo Frau Seliger, hier ist Brigitte Reimer. Silvia und Jürgen hören auf Lautsprecher mit. Wir sitzen gerade im Café und haben an sie gedacht. Sie haben heute Jürgen auf dem Friedhof getroffen. Wir wollten sie fragen, ob sie uns am zweiten Weihnachtsfeiertag besuchen wollen. Bei mir in der Wohnung, Silvia kommt mit ihrem Mann und Tochter und Jürgen mit seiner Freundin. Peppi dürfen sie auch mitbringen, haben Sie Lust?“
Es war erst still im Hörer, dann ein Räuspern.
„Oh, ich weiß nicht was ich sagen soll. Peppi, hast du das gehört? Das ist ganz entzückend. Ich komme sehr gerne. Ich bringe dann auch meinen kleinen Karton mit da sind viele Fotos von ihnen und ich habe noch einen Brief, ihre Mama hat mir mal geschrieben aus dem Urlaub.
So herzlich. Ich habe alles aufgehoben.“
„Ja bringen sie alles mit was sie haben, um 15.00? Ist ihnen das recht? Mein Mann kann sie abholen?“ fragte Brigitte.
„Nein, kein Problem, sie wohnen ja nicht so weit weg von mir, der Fußmarsch wird uns gut tun. Ich freue mich so sehr. Wirklich freundlich von ihnen“ sagte die alte Dame ganz gerührt.
„Dann bis in einer Woche und viele Grüße von uns allen. Servus liebe Frau Seliger“.
„Da haben wir aber eine glücklich gemacht“ freute sich Silvia. „Ich denke mal das wird sicher sehr interessant und so eine Zeitreise in die Vergangenheit können wir unseren Lieben auch zumuten, da werden sie noch einiges über uns erfahren und wir auch“.
„Ich finde, das ist eine schöne Geste und wenn sie uns dann wieder mal hinter einem Grabstein erschreckt, dann wissen wir, dass sie eigentlich nur eine gute Seele mit vielen Erinnerungen ist. Wir sollten das wertschätzen. Ich freue mich drauf. Es bringt uns auch Mama und Papa näher. Ich vermisse die beiden sehr, besonders zur Weihnachtszeit. Wir haben sie viel zu früh verloren, ich dachte immer wir hätten noch so viel Zeit zusammen.“ Brigitte schniefte in ihr Taschentuch.
Jürgen packte die Hände seiner Schwestern. „Wir hören uns immer zu und schreiben uns ab sofort alles auf was wichtig ist. Versprochen?“
Die Geschwister drückten sich die Hände und wussten schon jetzt, dass dieses Weihnachtsfest ein ganz Besonderes werden wird. Voller schöner Erinnerungen.
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Der verlorene Heiligenschein
Das Christkind schafft nicht alle Geschenke allein zu verteilen. Da müssen die Eltern mithelfen und die vielen kleinen Engeln. Überall flogen sie durch die Stuben und verteilten goldenen Sternenstaub, damit der Weihnachtssegen in allen Räumen, Herzen und Gaben eindringen konnte, um den heiligen Weihnachtsabend zu krönen.
Ein noch etwas junger unerfahrener Engel hatte den Auftrag in ein Haus zu fliegen und dort den göttlichen Segen zu verteilen. Engel konnten durch Wände gleiten und als dies geschafft war, flog der Engel zu dem herrlichen Christbaum wo die vielen Geschenke schon warteten ausgepackt zu werden.
Die Familie war in der Kirche zur Nachmittagsmesse gegangen und deshalb konnte sich unser Engel etwas ausruhen und durchschnaufen. Er schaute verzückt auf die vielen bunten Kugeln und Kerzen welche später angezündet wurden.
Weihnachten war so wunderbar, das schönste Fest auf der ganzen Welt und wer immer es feiern möchte wird es verstehen. Es ist ein Herzensfest, es bringt die Menschen zusammen und lässt einen inne halten in einem Moment der Liebe und Freude.
Der Engel wurde ein bisschen müde und plötzlich schlief er ein.
Sowas darf nicht passieren, man muss wachsam bleiben. Es ist keine Zeit zum Ausruhen, es gibt so viel zu tun träumte er wild vor sich hin.
Er wurde wieder wach, schreckte hoch und konnte sich kurz nicht orientieren.
Um Himmels Willen, ich bin eingeschlafen, jetzt aber sofort weiter, hoffentlich hole ich die verlorene Zeit wieder auf.
Der Engel wollte hochfliegen, aber er konnte sich nicht bewegen. Blieb auf dem Boden stehen. Was war passiert? Er tastete sich ab und sein kleines Herz blieb fast stehen. Sein Heiligenschein war verschwunden. Ohne diesen war kein Engel vollständig. Hektisch sah er sich in dem großen Wohnzimmer um, wo er ihn verloren haben könnte.
Hinter dem großen Sofa bewegte sich etwas. Ein kleines Mädchen lugte hervor.
„Oh, rief der Engel, „wer bist du denn? Ich dachte ihr seid alle in der Messe?“ So wurde es ihm zumindest aufgetragen. Die beiden sahen sich mit großen Augen an.
Das Mädchen robbte langsam zu ihm. Es trug einen hellblauen Schlafanzug und sah ziemlich krank aus, mit ihrer triefenden Nase. Es hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt.
„Ich bin erkältet und durfte nicht mit. Ich habe dich beobachtet. Bist du das Christkind?“ fragte es mit heiserer Stimme.
„Nein, ich bin ein helfender Engel. Ich mache die Geschenke zu etwas besonderem, ich verzaubere sie mit Sternenstaub.“ Er setzte sich erschöpft zu dem Christbaum und schaute ganz verzweifelt.
„Ich habe meinen Heiligenschein verloren. Ohne ihn kann ich meine Arbeit nicht erledigen. Ich wollte nur kurz verweilen und schon bin ich wohl eingenickt.“ jammerte das Engelchen traurig.
„Hier ist er. Ich wollte ihn nur mal kurz berühren und schon hatte ich ihn in der Hand. Tut mir leid, ich dachte erst ich habe Fieber und träume, aber du bist wirklich da und es ist einfach super. Da bin ich aber froh, dass ich krank bin, sonst hätte ich dich nicht getroffen.“ freute sich das Mädchen, grinste und reichte unserem erleichterten Engel seinen Heiligenschein zurück.
Dieser setzte ihn schnell auf sein Haupt und schon spürte er seine göttliche Energie zurück.
„Danke, das ist wirklich lieb von dir. Als Belohnung kann ich dich gesund machen, dann kannst du den Heiligen Abend und die Feiertage mit deiner Familie besser genießen.“
„Nein danke, so schlecht geht es mir nicht mehr. Weißt du, es ist eigentlich ganz schön, wenn man ein bisschen krank ist, dann wird man verhätschelt, darf im Bett bleiben und den ganzen Tag Fernsehen schauen. Meine Brüder lassen mich auch in Ruhe und Mama setzt sich zu mir ans Bett und liest mir vor.“ Die Kleine hatte wohl schon ihren eigenen Plan für die Festtage.
„So, so, du bist mir ja eine. Ich muss jetzt wieder los, dann leb wohl und werde bald gesund und vielleicht behältst du das hier besser für dich.“ Unserem Engel war sein Missgeschick immer noch peinlich. Nicht das es bis „nach oben“ kam, wer weiß, heute wurde ja alles durch die Welt posaunt, schneller als jeder Engel fliegen kann.
„Keine Sorge, ich erzähle es nicht. Mir glaubt eh keiner was. Aber schön, dass du hier warst, ich habe immer gewusst, dass es euch alle gibt. Deswegen habe ich hier heimlich gewartet“.
Die beiden lächelten sich an.
Der kleine Engel streichelte dem Mädchen über das Haar.
„Bleib wie du bist und freue dich, lass Liebe in dein Herz und glaube fest an alles was du innerlich schon lange weißt. Ich segne dich. Schöne Weihnachten“ und er erhob sich und schwebte durch den Raum, hinaus in die stille Nacht zurück zu seinen himmlischen Gefährten.
Als Mama, Papa und die zwei großen Brüder von der Messe zurückkamen, sahen sie ihr Kind und ihre kleine Schwester vor dem Weihnachtsbaum liegen. Friedlich schlafend mit einem seligen Lächeln im Gesicht.
„Süße, was machst du denn hier. Du sollst doch nicht ins Wohnzimmer gehen. Komm du frierst doch hier ohne Decke“ sagt die Mama leise, als das Mädchen die Augen aufschlug.
„Nein Mama, mir ist ganz warm ums Herz. Ich habe so schön vom Christkind geträumt und ich freue mich mit euch Weihnachten zu feiern“ lächelte sie glücklich und genau so war es auch.
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Weihnachten mal weit weg und doch so nah
„Eins sag ich dir, nächstes Jahr verschwinden wir auf irgendeine tropische Insel“.
Mein Mann Bruno und ich spazierten in der stillen Winternacht durch unser Dorf nach Hause. Wir hatten gerade den zweiten Weihnachtsfeiertag hinter uns gebracht mit der ganzen Großfamilie. Heiliger Abend mit meiner und Brunos Familie, die Feiertage mit allen zusammen und der Verwandtschaft. Da geht es laut, hektisch und manchmal auch stimmungsgeladen zu.
So wie Weihnachten oft ist, immer anders als man es gerne hätte.
Wenn man ländlich wohnt und alle fußläufig in der Nähe leben sind große Familienfeste obligatorisch. Alles schön und praktisch und manchmal eben auch sehr anstrengend.
„Genau“, sagte ich und drückte seine Hand. „Wir fliegen in die Karibik, mit Sonne, Strand und Meer.“
„Ich meine das ernst“, Bruno verzog das Gesicht, „die überstehen das alle auch mal ohne uns und wir fliehen vor dem ganzen Stress.“
In stiller Abmachung feierten wir Sylvester mit Freunden und der Frühling zog ins Land.
Nach einem turbulenten Osterfest und Pfingstfeier mit dem ganzen Clan und viel Geschreie mit dem kleinen Nachwuchs von meiner Schwester und Brunos Bruder, setzten wir uns entschlossen an den Rechner und buchten zwei Wochen Karibik, all inclusive, Abreise 18.12.-27.12., spontan, teuer und völlig egoistisch. Als Bruno auf Buchen drückte, hatten wir den gleichen Gedanken.
Wie und wann bringen wir es der Familie bei?
Beim Geburtstag im August meines Schwiegervaters im kleineren Kreis ohne Tanten, Onkel, Cousinen usw., brachten wir das Thema auf den gedeckten Kaffeetisch.
Meine Mutter traurig: Ach, ja natürlich, das verstehen wir schon, ihr wollt mal weg.
Mein Vater streng: Wenn ihr meint. So ein Aufwand.
Mein Schwiegervater skeptisch: Ist das nicht sehr teuer? Fliegen ist doch unmoralisch, dachte ich.
Meine Schwiegermutter ängstlich: Da ist es sicher sehr heiß, oder? Feiern die dort Weihnachten?
Unsere Geschwister: keine Kommentare, aber allein diese Blicke.
Im Klartext hieß das: wie könnt ihr es wagen Weihnachten nicht da zu sein??
Meine Schwester zischte mir bei Abräumen in der Küche ins Ohr. „Du machst es dir einfach und lässt mich in dem Wahnsinn allein?“
„Dann fliegt doch mit?“ konterte ich. Sie schüttelte den Kopf und umarmte mich und ich wusste, dass sie mich verstand.
Trotzdem lösten wir mit unserem Urlaub unterschiedliche Stimmungen im Familienclan aus. Alle waren seitdem etwas distanziert und als es Richtung Herbst ging und langsam diverse Geschenkideen in die Runde flossen, mussten wir allen liebevoll erklären, dass wir uns natürlich bei allen Geschenken beteiligen und sie auch besorgen würden falls gewünscht und nein, wir wollen keine Geschenke vorher, am besten nichts schenken, wenn wir schon so treulos sind und alle alleine lassen.
„Am besten wäre es, wenn wir die ganze Schenkerei komplett einstellen“, grummelte Bruno, aber da mussten wir durch. Im Advent trafen wir unsere Freunde auf den Christkindlmärkten und auch dort überall erhielten wir unterschiedliche Meinungen.
„Da habt ihr recht, wenn ich könnte, wäre ich auch weg“.
„Dort werdet ihr einen Plastikchristbaum im Hotel haben und überall verkappte Weihnachtsmuffel, die sich sinnlos besaufen. Ihr hättet in den Orient fliegen sollen, da wird nicht gefeiert“
„Oh Gott, meine Familie wäre mir für immer und ewig sauer“.
Dann kam der Tag der Abreise und wir fuhren nach den ganzen Verabschiedungen mit Tränen, Kopfschütteln, guten Ratschlägen zum Flughafen und mit viel schlechten Gewissen im Gepäck. Als der Flieger abhob war uns nicht nach Urlaub zumute und mein kleines Weihnachtsgefühl, was ich in mir hatte, war enttäuscht verschwunden.
Das änderte sich schlagartig als wir im Paradies landeten und nach dem Transfer und Einchecken in unserem Hotelzimmer mit Meerblick alle Sorgen und Schuldgefühle abwarfen. Es war herrlich.
Zumindest bis zum 24.12.
Bereits einen Tag vorher am quirligen Strand bekam ich Heimweh. Ich erfuhr, dass es zu Hause schneite. Wie war das möglich? Normalerweise war Weihnachten bei uns windig und Regen von der Seite. Jetzt stellen sie den Christbaum auf, dachte ich wehmütig. In der Küche meiner Mutter roch es schon nach Plätzchen, Entenbraten vorbereiten und Glühwein und die heimelige Vorfreude, die sich bei allen einschlich, ging mir hier am türkisenen Meer bei 30 Grad völlig verloren.
Ich blickte auf die tropische Wunderlandschaft und wünschte mich in dem Moment einfach nur ins Wohnzimmer meiner Eltern. Als Bruno mit unseren Cocktails kam, brach ich in Tränen aus und er musste mich trösten.
Später im Hotelzimmer benahm ich mich wie ein kleines Kind.
„Ich vermisse plötzlich den ganzen Weihnachtswahnsinn“, jammerte ich, „wenn alle zusammen essen und der Christbaum leuchtet und die Geschenkübergabe und die Christmesse. Alles, was mich genervt hat, fehlt mir jetzt. Es tut mir leid, aber ich bin gerade im Weihnachtsblues.“
„Schatz, geht mir doch auch so. Mir fehlt die ganze Sippe auch. Es ist eben Tradition und tief in unserem Herzen wollen wir vielleicht Weihnachten genauso feiern, wie wir es eben kennen. Es hat uns geprägt. Da hilft auch keine Flucht oder Verleugnen. Ist doch aber auch eine schöne Erkenntnis, dass wir unsere Familien vermissen und wissen, dass wir gerne mit ihnen zusammen sind.“
Ich liebte meinen Mann noch mehr als vorher und als wir ins Strandrestaurant gingen und bei leisen Meeresrauschen unser Essen genossen, schlich sich trotz der Ferne mein Weihnachtsgefühl wieder ein und ich bewahrte es fest im Herzen.
Am Heiligen Abend in der Karibik hatte ich den Eindruck, dass der eine oder andere europäische Hotelgast etwas verloren aussah und viele telefonierten wohl mit ihren Lieben genau zur Bescherungszeit daheim. Riefen die alle ihre Familien zu Hause an, um virtuell mitzufeiern? Wir hatten vereinbart, dass wir das nicht machen. Wir schickten liebe Grüße und viele Bilder in die WhatsApp Gruppen, mehr nicht.
Das Abendessen war karibisch weihnachtlich angehaucht und überall wurden Lichterketten aufgehängt und ein Plastikchristbaum stand tatsächlich in der Rezeption. Warum auch nicht, Weihnachten wird in allen christlichen Ländern gefeiert. Nach dem Essen wurde getanzt und alle Animateure mit Weihnachtsmannmützen auf dem Kopf, feuerten uns an fröhlich zu sein und das Leben zu genießen. Wir machten mit. Weihnachten heiß und exotisch.
Die letzten Ferientage verbachten wir gemütlich mit langen Strandspaziergängen und wunderbaren Sonnenuntergängen und am Tag der Abreise war uns tatsächlich etwas wehmütig, dieses Paradies zu verlassen.
Tante Hilde holte uns wieder vom Flughafen ab. Sie war die Pragmatische von allen und machte kein großes Getue. Sie stand schon winkend da, als wir mit unseren Koffern daherkamen.
„Wie waren denn die Feiertage bei euch?“ fragte ich im Auto. „Wie immer“, sagte sie trocken und dann wollte sie alles wissen von unserer Reise, denn sie war früher auch eine Globetrotterin.
„Kommt noch schnell mit ins Haus, ich muss euch was zeigen.“ Hilde wohnte direkt neben uns und eigentlich wollten wir gleich heim, aber da sie schon so nett war und uns chauffierte gingen wir artig mit. Sie sperrte auf und als wir in ihren Flur traten ging die Türe zum Wohnzimmer auf und Überraschung. Der ganze Clan stand vor einem herrlich gedeckten Tisch, der Christbaum strahlte und es roch nach Ente, Plätzchen und Glühwein wie in meiner wehmütigen Erinnerung.
„Habt ihr ernsthaft gedacht, ihr kommt davon? Schöne Weihnachten“ schrie meine Schwester boshaft und dann lachten wir alle und es war wunderbar. Ich fiel meinen Lieben um den Hals und Bruno wurde gleich von seiner Familie beschlagnahmt.
Weihnachten ist überall da, wo man es im Herzen spürt und wenn man Menschen um sich hat, die man liebt und die das schönste Fest der Welt mit einem feiern wollen, egal wann und wo, dann bekommt man das größte Geschenk auf der der ganzen Welt.
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Weihnachtssegen in der Heiligen Nacht
Das Christkind saß mit seinen vielen kleinen Engeln im Himmel auf einer großen Wolke zusammen.
Es war Weihnachten, der Heilige Abend stand bevor. Überall auf Erden wurde heute das schönste Fest gefeiert. Ob still, rauschend, einsam, in Familien und unter Freunden, umgeben mit Lichterglanz oder in der Dunkelheit.
Die Menschen auf Erden lebten in Krieg, Frieden, Freude und Leid. Schon immer.
Das Christkind blickte über seine goldene Engelsschar und ein tiefer Seufzer entfuhr ihm.
„Meine Kinder, wieder ist ein Jahr vergangen auf Erden und viele Menschen feiern heute mit uns die Heilige Nacht und Weihnachten. Ihr wisst, dass wir Hoffnung bringen, damit niemand verzweifeln muss und Liebe, damit nichts sinnlos erscheint und den Glauben, den jeder Mensch für sich finden soll, damit er weiterleben kann in diesen Zeiten und immerdar.
Die Engelein nickten ehrfürchtig und erhoben sich von ihren Plätzen. Ihre Flügelchen zittern aufgeregt.
„Jeder von euch hat eine Aufgabe bekommen und nun fliegt los durch die Dunkelheit und bringt das ewige Licht der Liebe über die Menschheit.
Sie flogen zu den Gesegneten, Armen, Kranken, Einsamen und Verzweifelten, flogen über Kriegsgebiete, zerstörte Natur und zu geschundenen Tieren. Sie verteilten Hoffnung und Mut an alle die nicht mehr konnten oder wollten.
Das Christkind stand mit erhobenen Händen im Himmel und betete, dass der gebrachte Segen in die Herzen der Menschen gelangte. Bleibt tapfer und voller Zuversicht. Gebt nicht auf, seht das Licht im Dunkeln, dass wir euch bringen in dieser heiligen Nacht.
Als die keinen Engelchen zurück geflogen kamen und alle wieder auf ihren Plätzen saßen, leuchteten die kleinen Gesichter der himmlischen Schar. Alle waren aufgeregt und voller Freude die Frohe Botschaft verkündet zu haben. Alles ging gut und jeder hatte seine Aufgabe erfüllt. Das Christkind war zufrieden.
„Legt euch jetzt schlafen, ihr seid müde und ich bin voller Stolz und danke euch allen.“
Ein kleiner Engel war besonders aufgeregt und das Christkind flog zu ihm und streichelte ihm die kleine Wange. „Gut, dass du deinen Heiligenschein* wieder gefunden hast“ und lächelte.
Das Engelchen wurde rot, nickte dankbar und legte sich zu seinen Freunden in die weiche Wolke und schlief selig ein.
*Eine kleine Anspielung auf meine Geschichte „Der verlorene Heiligenschein“
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weitere Geschichten folgen…